Essen. . Friedrich Schiller gab mit seinen Mitteln Antwort auf die Frage nach dem Tyrannenmord: „,Was wolltest du mit dem Dolche? Sprich!“ Entgegnet ihm finster der Wüterich: „Die Stadt von dem Tyrannen befreien!“ „Das sollst du am Kreuze bereuen.“’ In der Bürgschaft jedenfalls ist der Tyrannen-Mörder der Gute.
Friedrich Schiller gab mit seinen Mitteln Antwort auf die Frage nach dem Tyrannenmord: „Was wolltest du mit dem Dolche? Sprich!“ Entgegnet ihm finster der Wüterich: „Die Stadt von dem Tyrannen befreien!“ „Das sollst du am Kreuze bereuen.“’ In der Bürgschaft jedenfalls ist der Tyrannen-Mörder der Gute.
Jetzt, nach der Erschießung des meist gesuchten Terroristen der Welt, Osama bin Laden, durch amerikanische Spezialeinheiten, geht es wieder um die Frage: Ist es ethisch legitim, einen Verbrecher, einen mörderischen Terroristen zu erschießen? Darf ein Christ das?
Theologen zögern mit der Antwort. Vor allem, weil die US-Regierung nicht eindeutig aufklärt, wie die Aktion abgelaufen ist. Ob Osama liquidiert werden sollte, am Rechtsstaat vorbei, oder ob er tatsächlich zuerst geschossen hat. Und sie zögern bei der Einschätzung, den Terroristen als Tyrannen zu bezeichnen.
„Nach mittelalterlicher Theologie ist der Tyrann ein Herrscher, der sein Volk unterdrückt und ausbeutet, der es nicht schützt“, erklärt Joachim Wiemeyer, Professor für christliche Gesellschaftslehre an der Ruhr-Universität Bo-chum. „Bin Laden hingegen ist eher ein Warlord. Aber er hat einen politischen Anspruch, der Macht inszeniert und der auch die Politik beeinflussen wollte“, ergänzt Hans-Peter Großhans, Professor für Systematische Theologie an der Universität Münster. Insofern könnte bin Laden durchaus als Tyrann betrachtet wer- den.
Und die Beseitigung unliebsamer Herrscher, wenn auch nicht explizit Tyrannen, ist für Christen ein bekanntes Thema. Schon das Alte Testament erzählt davon. In Moses 4,16 lehnt sich Korach gegen Moses und Aaron auf. Er kommt mit seiner Rotte, seinem Stamm, im Feuer um. „Weil er sich gegen die legitime Führung im Volk richtet“, erläutert Großhans. Später definierte der Apostel Paulus die Leitlinien eines Christen: „Jedermann sei Untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat.“ (Römer 14) Davon gebe es nur eine Ausnahme: „Wenn ein Herrscher es nicht erlaubt, das Evangelium zu verkünden.“ Dann gelte: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“, sagt der Münsteraner Theologe.
Thomas von Aquin, der Kirchenlehrer aus dem 13. Jahrhundert, dachte neu über den Tyrannenmord nach. Er legte konkrete Kriterien dafür vor, wann die Kirche ihn als legitim ansieht. Erstens: Wenn der Herrscher die bestehende Ordnung außer Kraft setzt, die eigenen Bürger nicht mehr vor Gewalt schützt. Zweitens: Wenn er die Macht als Usurpator gewaltsam an sich reißt. „Wenn alle friedlichen Mittel ausgeschöpft sind, sah Thomas von Aquin den Tyrannenmord als legitim“, erklärt der Bochumer Experte.
Attentat auf Adolf Hitler
In seiner Tradition sehen beide Theologen die Attentäter vom 20. Juli 1944 gegen Adolf Hitler. „Dietrich Bonhoeffer hat lange gerungen, ob er sich als Christ an dessen Tötung beteiligen könne“, erinnert der Protestant Großhans. „Er berief sich auf Martin Luther. Der Reformator stand zwar im Bauernkrieg auf der Seite der Fürsten. Doch wenn ein Staat die Ordnung auflöst, rechtfertigt auch Luther Widerstand. Angesichts der Gräueltaten der Nazis nahm Bonhoeffer Luthers Gedanken auf und wollte ,dem Rad in die Speichen fallen’“. Er legitimierte den Tyrannenmord nicht nur, sondern sah ihn in diesem Fall sogar als Pflicht, urteilt der Münsteraner Forscher.
Seit Thomas von Aquin also hält sich die Kirche an feste Kriterien. Treffen sie bei der Erschießung bin Ladens zu? Oder spielten für Amerika auch Hass und Rache mit? Vergeltung für die Anschläge vom 11. September 2001? Es wäre ethisch jedenfalls nicht zu rechtfertigen. Selbst die Israelis haben Adolf Eichmann, den Organisator des Massenmordes an den Juden, in einem ordentlichen Gerichtsverfahren verurteilt. „Ich hätte mir gewünscht“, sagen beide Theologen, „dass bin Laden lebend gefangen und vor ein Gericht gestellt wird.“
Rechtsstaaten sollten sich an Prinzipien halten. Für Theologen eine klare Linie. Ob sie für die USA auch so klar war, das wird sich erst zeigen, wenn die Einzelheiten über die Aktion gegen bin Laden bekannt werden. Aber die Theologen sehen bereits das nächste ethische Dilemma: „Die Nato beschießt die Wohnhäuser des libyschen Herrschers Gaddafi. Ist das versuchter Tyrannenmord? Ist das legitim?“, fragt Hans-Peter Großhans. Thomas von Aquin und Schiller bleiben aktuell.