Washington..

In den USA wird die Tötung von Osama bin Laden bejubelt – in anderen Ländern werden Fragen laut: Hätte der Terrorist nicht festgenommen werden müssen? Eine Festnahme und ein Prozess hätten die Vereinigten Staaten vor etliche Probleme gestellt.

Die USA feiern die Tötung von Osama bin Laden - doch werden vor allem in anderen Ländern auch erste Fragen laut: Besonders intensiv wurde am Dienstag diskutiert, ob der Terrorist hätte festgenommen und vor Gericht gestellt werden müssen. Zwar betonten US-Verteidigungsbeamte und Geheimdienstler, der Tod Bin Ladens sei nicht Ziel der von US-Elitesoldaten ausgeführten Kommandoaktion gewesen, der El-Kaida-Chef hätte auch festgenommen werden können. Doch vermuten manche politische Beobachter in der Tötung vor allem Taktik: Denn damit seien ein bin-Laden-Schauspiel vor Gericht und mögliche Schwierigkeiten für US-Präsident Barack Obama vermieden worden.

„Ich denke, das Weiße Haus atmet jetzt wahrscheinlich erleichtert auf, dass er letztlich getötet und nicht gefangengenommen wurde“, sagt Andrew Exum vom Center for a New American Security, einer Denkfabrik in Washington. Eine Festnahme wäre gefährlich gewesen, und die Haft und der Prozess wären zum „Zirkus“ geworden. „Wie wir ihn in unserem Rechtssystem zur Rechenschaft gezogen hätten, wäre kompliziert gewesen“, sagt der frühere US-Offizier.

Wäre bin Laden festgenommen worden, wäre er aller Wahrscheinlichkeit nach in das umstrittene US-Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba gebracht worden. Anschließend wäre es zu einem Prozess vor einem zivilen oder einem Militärgericht gekommen. Bei jedem Detail der Behandlung bin Ladens hätte Obama den prüfenden Blicken der eigenen Bevölkerung und der Welt standhalten müssen und wäre damit auch möglicher Kritik ausgesetzt gewesen.

Osama bin Laden ist totSaddam Hussein wurde nach Festnahme „zum Märtyrer der arabischsprechenden Welt“

Im Gegensatz zum früheren irakischen Machthaber Saddam Hussein erhielt Bin Laden keine Chance, sich vor Gericht zu verteidigen oder seine Anhänger zu mobilisieren. Aus der Gefangennahme Saddam Husseins 2003 dürfte die US-Regierung ihre Lehren gezogen haben, denn dieser sei anschließend „zum Märtyrer in der arabischsprechenden Welt geworden“, sagt Exum.

US-Präsident Barack Obama.  Foto: afp/White House/Pete Souza
US-Präsident Barack Obama. Foto: afp/White House/Pete Souza © AFP | AFP

Obwohl einige Menschenrechtler sagen, ein Prozess hätte Bin Ladens Verbrechen aufgezeigt und wäre gerecht gewesen, gehen Beobachter nicht davon aus, dass seine Tötung in den USA zu Kontroversen führen wird. „Es ist unwahrscheinlich, dass es einen lauten Aufschrei über die Entscheidung geben wird, bin Laden eher zu töten als ihn lebend festzunehmen“, schrieb der Kommentator Joshua Keating auf der Internetseite Foreignpolicy.com. Denn damit sei ein umstrittener Prozess vermieden worden.

Die USA begründen die Tötung bin Ladens offiziell damit, dass dieser bei der Erstürmung seines Verstecks in Pakistan Widerstand geleistet habe. Die Leiche des Terroristen wurde ausgeflogen und auf See bestattet. Damit wollten die USA den El-Kaida-Chef offensichtlich still und leise aus dem öffentlichen Blickfeld nehmen - anstatt eine Grabstätte zu haben, die zur Pilgerstätte hätte werden können.

Obama sah dem Einsatz zuSollen Bilder der Leiche bin Ladens öffentlich gemacht werden?

Israel war nach der Hinrichtung des NS-Kriegsverbrechers Adolf Eichmann 1962 ähnlich verfahren und hatte dessen Asche im Mittelmeer verstreut. „Wir brauchen kein Grab, das zur heiligen Stätte werden könnte“, hatte der damalige israelische Ministerpräsident David Ben Gurion gesagt und hinzugefügt: „Keine Spur wird von ihm übrig bleiben.“

Allerdings stehen die USA nun unter anderem vor der Frage, ob Bilder von der Leiche des Terroristen öffentlich gemacht werden sollen. Einige US-Abgeordnete fordern dies als Beweis für die Welt, der gezeigt werden müsse, dass bin Laden wirklich tot ist.

Dem Vorsitzenden des Geheimdienstausschusses im Repräsentantenhaus, Mike Rogers, zufolge wird derzeit noch abgewägt, ob die Bilder veröffentlicht werden sollen. Die Entscheidung sei schwierig: „Wir wollen sicherstellen, dass wir Osama bin Ladens Würde bewahren - wenn es eine gab. Wir wollen keine Probleme in anderen Teilen der Welt auslösen und zugleich genügend Beweise erbringen, dass die Menschen sicher sein können, dass es Osama bin Laden war.“(afp)