Berlin. . Die Gewerkschaften sind wieder am Puls ihrer Klientel, nachdem ihnen lange Zeit die Mitglieder wegliefen. Die Würde der Arbeit ist das zentrale Thema neben der Gerechtigkeit. Mini-Jobber und Leiharbeiter wissen, worum es da geht.
Von einem „Comeback“ kann man schlecht reden. Die Gewerkschaften waren nicht weg. Aber sie liefen Gefahr, ins Abseits zu driften, ein ganzes Jahrzehnt lang, in dem sie 1,5 Millionen Mitglieder verloren. Nun scheint der Abwärtstrend gebrochen. DGB-Chef Michael Sommer redet pünktlich zum 1. Mai von einer „Trendwende“. Der Zulauf unter den jüngeren Arbeitnehmern ist keineswegs der einzige Grund, warum er Hoffnung schöpfen darf.
Sie haben ein Thema, das auf der Höhe der Zeit ist und mit dem die Gewerkschaften nahe bei sich sind. Die Rede ist von der Würde der Arbeit. Es gibt sieben Millionen Mini-Jobber, die Zahl der Leiharbeiter nähert sich der Million. Das ist eine kritische Grenze. Kein Wunder, dass der DGB jüngere Leute anspricht. Sie sind überdurchschnittlich auf unsichere und schlecht bezahlte Jobs angewiesen.
„Der Aufschwung gehört auch uns“
Die Antwort der Gewerkschaften war gestern hundertfach zu hören: „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit.“ Sie wollen einen Mindestlohn von 8,50 Euro die Stunde. In der Politik findet der Ruf nach mehr Fairness allmählich Gehör.
Es gibt was zu verteilen. „Wir haben jetzt den Aufschwung, der auch uns gehört“, so IG-BCE-Chef Michael Vassiliadis. In der Finanzkrise spielte man eine konstruktive Rolle; und diese Erfahrung des Zusammenhalts sollte sich politisch auszahlen.
Es kommen neue Aufgaben. Beispiel Energiewende. In der Ethik-Kommission machte ein Betriebsrat darauf aufmerksam, dass es in der Windenergie-Branche viele prekäre Jobs gibt. Die Grünen kümmern sich um saubere Energien. Wer kümmert sich um saubere Jobs? In der EU gilt eine neue Freizügigkeit für Arbeitnehmer. Lohndumping ist eine Versuchung, darauf reagiert der DGB mit seiner Kampagne. Es gibt daneben auch hausgemachte Probleme. Feuerwehrleute gründeten am 1. Mai ihre eigene Gewerkschaft, weil sie sich nicht ausreichend vertreten fühlen. Sind die DGB-Organisationen flexibel genug?