Brüssel. .

Zwei Gewaltherrscher lassen Untertanen brutal zu­sammenschießen. Gegen den einen setzt die internationale Gemeinschaft den mächtigen Militärapparat der Nato in Bewegung. Beim anderen belässt sie es bei Ermahnungen. Warum ist dem Westen gegen Syriens Präsidenten Assad nicht recht, was gegen Libyens Revolutionsführer Gaddafi billig ist?

Die meisten Brüsseler Verantwortlichen erkennen an, dass die Glaubwürdigkeit auf dem Spiel steht. „Uns ist klar, dass das letztlich willkürlich wirkt”, sagt ein Nato-Diplomat. „Moralisch ist das nicht zufriedenstellend”, meint der CDU-Europaabgeordnete El­mar Brok aus NRW, „aber wir stoßen da an die Grenzen der Machbarkeit.”

Stabilitätsfaktor in der Region

Was unterscheidet Syrien von Libyen? Präsident Assads Machtapparat ist überall präsent. Es fehlt eine übergreifende Befreiungsbewegung wie in Libyen. Die regionalen Schwer­gewichte Israel und Türkei halten Assad bei allen Vorbehalten für einen Stabilitätsfaktor, die USA sorgen sich, vom Umsturz profitiere womöglich vor allem die 1982 blutig unterdrückte Moslem-Bruderschaft.

So fehlt die politische Dynamik, mit der Franzosen und Briten die Verbündeten zum Einsatz gegen Gaddafi ge­drängt hatten. „Syrien wird in der Nato bislang nicht thematisiert”, heißt es in der Brüsseler Zentrale der Allianz. „Da gibt es keinerlei Appetit bei irgendwem.” Die Nato weicht dem Problem aus, indem sie sich als militärischer Subunternehmer der UN definiert. Eine eigene politische Willensbildung leistet sie sich nur da, wo ihre Sicherheitsinteressen direkt berührt sind.