Berlin. . Nachdem Thilo Sarrazin nicht aus der Partei ausgeschlossen wurde, will die SPD möglichst schnell den Fall zu den Akten legen. Doch einige Politiker trauen dem Braten nicht. SPD-Innenpolitiker Edathy warnt vor neuen Provokationen.

Nach dem Ende des Parteiausschlussverfahrens gegen Thilo Sarrazin hat SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier den umstrittenen Politiker zum Einhalten der SPD-Grundwerte aufgefordert. „Sarrazin hat in seiner Erklärung Fehler eingeräumt“, sagte Steinmeier der „Bild“-Zeitung. „Und nun ist es an ihm, durch sein Auftreten zu beweisen, dass er in der SPD noch zu Hause ist.“ Der Fraktionschef zeigte sich zugleich erfreut, dass die Angelegenheit schnell beigelegt werden konnte: „Ich bin froh, dass der SPD ein jahrelanges Verfahren durch alle Instanzen erspart bleibt.“

Die Antragsteller, darunter die Bundes-SPD, hatten am Donnerstag ihre Anträge auf Ausschluss Sarrazins zurückgezogen, nachdem dieser zugesichert hatte, sich künftig an die Grundsätze der Partei zu halten. Der ehemalige Berliner Finanzsenator und Ex-Bundesbankvorstand akzeptierte vor der Schiedskommission des Berliner Kreisverbands Charlottenburg-Wilmersdorf eine Erklärung, die ihm das Gremium vorgeschlagen hatte. Darin heißt es unter anderem, dass er weder Migranten diskriminieren wollte noch eine „selektive Bevölkerungspolitik“ verlangt habe.

Künast ist irritiert

Sarrazin hatte in seinem Buch „Deutschland schafft sich ab“ die angeblich fehlende Integrationsbereitschaft von Muslimen beklagt. Die Anträge auf Parteiausschluss bezogen sich vor allem auf seine Äußerungen zu genetischen Eigenschaften bestimmter Volksgruppen. Der SPD-Innenexperte Sebastian Edathy drohte Sarrazin für den Fall erneuter Provokationen mit einem neuen Ausschlussverfahren. „Sollte er sich erneut biologistisch äußern, wäre sein Ausschluss aus der SPD unumgänglich“, sagte Edathy am Samstag dem Onlinedienst des „Handelsblatts“.

Essener zu Sarrazin

Ulla Höhne (72) aus Essen:
Ulla Höhne (72) aus Essen: "Sarrazins Kernthesen sind an sich stimmig. Aber dass er von einem vermeintlichen jüdischen Gen redet, stört mich und macht viele seiner richtigen Aussagen kaputt." Foto: Walter Buchholz © WAZ FotoPool
Jonas Schwendrat (23) aus Essen:
Jonas Schwendrat (23) aus Essen: "Wer gesellschaftliche Verantwortung trägt, muss konkrete Vorschläge liefern und kein Stammtischgeschwätz. Dass er die Integration thematisiert, finde ich aber gut." Foto: Walter Buchholz © WAZ FotoPool
Siegfried Gehrmann (73) aus Rüttenscheid:
Siegfried Gehrmann (73) aus Rüttenscheid: "Es ist falsch, Sarrazins komplettes Buch wegen einiger isolierter Zitate abzulehnen. Integration ist ein Tabuthema, deswegen ist die Debatte wichtig." Foto: Walter Buchholz © WAZ FotoPool
Rainer Göbel (49) aus Duisburg:
Rainer Göbel (49) aus Duisburg: "Sarrazins Sprüche haben wir doch alle schon mal gehört. Populismus ist bei einem so schweren Thema wie der Integration völlig fehl am Platze. Die Diskussion wird schnell verpuffen." Foto: Walter Buchholz © WAZ FotoPool
Elke Hövel (49) aus Steele:
Elke Hövel (49) aus Steele: "Wenn ich in ein fremdes Land gehe, muss ich mich den Gegebenheiten anpassen. Das tun viele, aber nicht alle Zuwanderer. Die Politik hat bei der Integration versagt." Foto: Walter Buchholz © WAZ FotoPool
Besarta Qerkini (18) aus Essen:
Besarta Qerkini (18) aus Essen: "Ich bin Muslimin, komme aus dem Kosovo und lebe seit 17 Jahren in Deutschland. Und ich muss sagen: Sarrazin hat Recht, wenn er sagt, dass viele Muslime unter sich bleiben wollen." Foto: Walter Buchholz © WAZ FotoPool
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CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe kritisierte das Vorgehen der SPD. „Erst verdammt die SPD-Spitze Herrn Sarrazin öffentlich mit lautem Gabriel-Getöse, nun rudert sie - mit ängstlichem Blick auf die Wahlen in Berlin - hilflos zurück“, sagte Gröhe der „Süddeutschen Zeitung“ vom Samstag.

Auch Grünen-Fraktionschefin Renate Künast äußerte sich am Freitag in Berlin irritiert: „Ich verstehe das Ergebnis dieses Verfahrens nicht. Und so geht es auch vielen SPDlern“. Der frühere Berliner Finanzsenator und Bundesbankvorstand Sarrazin kann trotz seiner umstrittenen Integrationsthesen SPD-Mitglied bleiben. (afp/dapd)

Sarrazins Sprüche

Mit seinen Äußerungen provoziert Bundesbank-Chef Thilo Sarrazin immer wieder die Öffentlichkeit - DerWesten dokumentiert zwölf seiner streitbaren Zitate.
Mit seinen Äußerungen provoziert Bundesbank-Chef Thilo Sarrazin immer wieder die Öffentlichkeit - DerWesten dokumentiert zwölf seiner streitbaren Zitate. © ddp
Februar 2002 über Berliner Beamte:
Februar 2002 über Berliner Beamte: "Die Beamten laufen bleich und übelriechend herum, weil die Arbeitsbelastung so hoch ist." © ddp
November 2002 zur Debatte über höhere Kita-Gebühren:
November 2002 zur Debatte über höhere Kita-Gebühren: "Es wird ja so getan, als ob der Senat die Kinder ins Konzentrationslager schicken wollte." © ddp
März 2002 zum Berliner Stadtbild:
März 2002 zum Berliner Stadtbild: "Nirgendwo schlurfen so viele Menschen in Trainingsanzügen durch die Straßen wie in Berlin."
November 2003 über Studenten, die sein Berliner Büro besetzten:
November 2003 über Studenten, die sein Berliner Büro besetzten: "Ihr seid alle Arschlöcher." © REUTERS
Januar 2005 zur geplanten Länderfusion:
Januar 2005 zur geplanten Länderfusion: "Das vereinte Land Berlin-Brandenburg ist natürlich immer eine Stadt Berlin mit angeschlossener landwirtschaftlicher Fläche." © ddp
August 2006 zur Berliner Finanzlage:
August 2006 zur Berliner Finanzlage: "Lassen Sie mich mal so sagen: Der Schutt ist abgeräumt. Wir leben nicht mehr im Jahr 1945, sondern wir leben im Jahr 1947." © ddp
Februar 2008 zum Thema Schwarzarbeit:
Februar 2008 zum Thema Schwarzarbeit: "Ehe jetzt einer im 20. Stock sitzt und den ganzen Tag nur fernsieht, bin ich schon fast erleichtert, wenn er ein bisschen schwarz arbeitet." © AP
Februar 2008 zu seinem Speiseplan für
Februar 2008 zu seinem Speiseplan für "Hartz IV"-Empfänger: Für 4,25 Euro könne man sich "vollständig, gesund und wertstoffreich ernähren". Auf Kritik konterte er: "Wenn man sich das anschaut, ist das kleinste Problem von "Hartz IV"-Empfängern das Untergewicht." © imago stock&people
Februar 2008 zum Berliner Bildungssystem:
Februar 2008 zum Berliner Bildungssystem: "Bayerische Schüler können aber mehr ohne Abschluss als unsere in Berlin mit Abschluss." © AP
Juni 2008 zur Mindestlohn-Debatte:
Juni 2008 zur Mindestlohn-Debatte: "Für fünf Euro würde ich jederzeit arbeiten gehen. Das wären 40 Euro pro Tag." © imago stock&people
September 2009 in der Zeitschrift
September 2009 in der Zeitschrift "Lettre International": "Ich muss niemanden anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert." © ddp
Ebenfalls dort:
Ebenfalls dort: "Je niedriger die Schicht, desto höher die Geburtenrate. Die Araber und die Türken haben einen zwei- bis dreimal höheren Anteil an Geburten, als es ihrem Bevölkerungsanteil entspricht." © ddp
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Weiter: "Große Teile sind weder integrationswillig noch integrationsfähig. Die Lösung dieses Problems kann nur heißen: Kein Zuzug mehr, und wer heiraten will, sollte dies im Ausland tun." © REUTERS
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