Das umstrittene Bahnprojekt Stuttgart 21 bleibt der Zankapfel in der neuen grün-roten Regierungskoalition in Baden-Württemberg. Nun sorgen die Modalitäten der versprochenen Volksabstimmung für neuen Streit.
Grüne und SPD hatten nach zähem Ringen in den Koalitionsverhandlungen eine Einigung verkündet. Danach soll die Bevölkerung im Oktober über Stuttgart 21 abstimmen, so wie es die Grünen im Wahlkampf versprochen hatten. Allerdings sollen nur dann die Bürger entscheiden, wenn das Bahnprojekt den „Stresstest“ übersteht und nicht zuvor an zu hohen Kosten scheitert. Als finanzielle Obergrenze vereinbarten die Partner 4,5 Milliarden Euro, darüber hinaus wird sich die neue Landesregierung nicht am Projekt beteiligen.
Kommt es aber zur Volksabstimmung, sieht die baden-württembergische Landesverfassung hohe rechtliche Hürde vor. Ein Drittel der Wahlberechtigten müsste sich gegen Stuttgart 21 aussprechen, um das Projekt zu stoppen, das sind 2,5 Millionen Baden-Württemberger. Das Problem: Bei den Landtagswahlen am 27. März hatten „nur“ 1,2 Millionen Bürger die Grünen gewählt, die als einzige Partei für den Ausstieg eintrat.
„Nicht zu schaffen“
Auch gemeinsam mit der SPD kamen sie lediglich auf nur rund 2,3 Millionen Stimmen. „Nüchtern betrachtet ist dieses Quorum nicht zu schaffen“, sagte der designierte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne).
Die Koalitionäre wollen sich nun im Landtag für das Absenken des Quorums einsetzen. Dafür müsste allerdings die Landesverfassung geändert werden, was nur mit einer Zweidrittelmehrheit geschehen kann. Somit sind Grüne und SPD auf die Unterstützung der CDU als stärkster Fraktion angewiesen. „Ich hoffe, dass die CDU genug politische Vernunft hat, um das Quorum abzusenken“, sagte der Verkehrsexperte der Grünen, Werner Wölfle.
In der vergangenen Legislaturperiode hatte die CDU eine Absenkung auf 25 Prozent angeregt. Nun aber sperren sie sich, die Hürden des Referendums zu senken. „Es gibt dafür gar keinen Anlass“, sagte Fraktionschef Peter Hauk.
Die Grünen stecken nun in der Klemme. Wenn sich zwar eine Mehrheit gegen Stuttgart 21 ausspricht, das Quorum aber verfehlt wird, wäre das Ausstiegsgesetz juristisch gescheitert. Wölfe sieht neuen Streit programmiert: „Bei diesem Szenario wird die befriedende Wirkung, die die Volksabstimmung haben soll, nicht erreicht.“