Am Ende versprach Thilo Sarrazin, nicht mehr öffentlich an Grundfesten der SPD zu rütteln. Er rückte seine provokanten Thesen zur Integrationspolitik gerade, ohne inhaltlich von ihnen abzuweichen. Für die SPD hat das ausgereicht, um nachzugeben.

Trotz seines Buches „Deutschland schafft sich ab“ darf Sarrazin im Schoße der Sozialdemokraten bleiben. Zu diesem unerwartet schnellen Ergebnis ist die Schiedskommission im zweiten Parteiausschlussverfahren gegen den 66-Jährigen gekommen. Zu­vor hatten der SPD-Vorstand und drei weitere Gruppen ihre Anträge zurückgezogen, mit denen sie Sarrazin so gerne vom Parteihofe gejagt hätten. Andernfalls hätte sich die Causa Sarrazin bis in den Berliner Wahlkampf im Herbst hineinziehen können.

Nun herrscht also ein Burgfrieden zwischen SPD und Parteirebell – und jener darf sich getrost als Sieger fühlen. Reichlich blamiert steht da­gegen Sigmar Gabriel da. Der Parteichef hatte im vergangenen Jahr vehement den Ausschluss Sarrazins gefordert, nachdem er in seinem Buch die angeblich fehlende Integrationsbereitschaft von Muslimen angeprangert hatte. Zu allem Überfluss machte Sarrazin genetisch bedingte Intelligenzdefizite bei Migranten aus. Das Buch sei „das absurde Ergebnis eines Hobby-Darwins“ und eine „ungeheurere intellektuelle Entgleisung“, wetterte Gabriel damals in einem Gastbeitrag in der Zeit. Die SPD wolle sich damit nicht in Verbindung bringen lassen, begründete der Vorsitzende den angestrebten Parteiausschluss von Sarrazin. Das Buch sei „nicht mehr und nicht weniger als die Rechtfertigungsschrift für eine Politik, die zwischen (sozioökonomisch) wertvollem und weniger wertvollem Leben unterscheidet“.

Sarrazin sieht dies freilich völlig anders. Er habe nicht die Auffassung vertreten, „dass sozialdarwinistische Theorien in die politische Praxis umgesetzt werden sollen“, verkündete er in seiner Erklärung am Donnerstag.

Der SPD-Politiker hat in seinem Buch etwa Gebärprämien für Akademikermütter unter 30 Jahren angeregt. „Welch ein Wahnsinn. Spätestens jetzt ist klar: Thilo Sarrazin führt keine Integrations-, sondern eine Selektionsdebatte“, schrieb Gabriel seinerzeit. Er habe keine „selektive Be­völkerungspolitik“ verlangt, kontert Sarrazin nun kühl. Die Prämie für Mütter in hervorgehobenen Position bezeichnete er als Möglichkeit, „ihre Berufe und Tätigkeiten mit der Ge­burt eigener Kinder zu verbinden.“

Nach Sarrazinscher Lesart habe er mit seinem Buch, das schnell zum Bestseller wurde, keine Gruppe diskriminieren wollen. Vielmehr sollten die Thesen auch der Integration von Migrantengruppen dienen, die bislang nicht bereit oder in der Lage gewesen wären, sich stärker zu integrieren.

Keine Entschuldigung

Einen Grund für eine Entschuldigung sieht Sarrazin in­des nicht. Sollten SPD-Mitglieder sich in ihrem sozialdemokratischen Verständnis be­einträchtigt fühlen, bedauere er das, „auch wenn ich meine, dass mein Buch hierzu keine Veranlassung gibt“.

Nach der Einigung können die Sozialdemokraten nur hoffen, dass der Parteirebell Wort hält. Künftig will Sarrazin da­rauf achten, dass er die SPD-Grundfeste nicht mehr öffentlich infrage stellt.

Für die So­zialdemokraten bleibt dennoch der Punkt, ob der Parteirebell Platz in ihren Reihen hat. Wie sagte Gabriel zu Sarrazins Thesen: „Wer uns empfiehlt, diese Botschaft in unseren Reihen zu dulden, der fordert uns zur Aufgabe all dessen auf, was Sozialdemokratie ausmacht: unser Bild von freien und zur Emanzipation fähigen Menschen.“