Berlin. . Die Grünen müssen sich der Debatte über einen eigenen Kanzlerkandidaten für 2013 stellen. Nach einer aktuellen Umfrage gäbe es derzeit im Bund eine Mehrheit für eine grün-rote Koalition unter einem grünen Kanzler. Fraktionschef Trittin betonte, eine Debatte über einen eigenen Kanzlerkandidaten stehe „jetzt nicht an“.

Die Grünen hatten bei den jüngsten Landtagswahlen kräftig zugelegt und in Baden-Württemberg einen historischen Machtwechsel eingeleitet. Gemeinsam mit der SPD gelang es ihnen, die jahrzehntelange CDU-Vormacht im Ländle zu beenden. Bald wird dort mit Winfried Kretschmann der erste grüne Ministerpräsident Deutschlands regieren. Im Bund erreicht die Partei in jüngsten Umfragen deutlich über 20 Prozent und liegt mitunter vor der SPD.

Der wöchentliche Sonntagstrend des Meinungsforschungsinstituts Emnid ermittelte am Wochenende erstmals eine Mehrheit für einen von den Grünen gestellten Bundeskanzler. Nach der Wahlumfrage im Auftrag der Zeitung „Bild am Sonntag“ kommen Grüne und SPD gemeinsam auf 47 Prozent und hätten damit eine Mehrheit. Die Grünen erreichen mit 24 Prozent erneut einen Rekordwert und liegen einen Punkt vor der SPD.

Spekulationen, der langjährige Parteiobere Fischer könnte 2013 um den Einzug ins Kanzleramt kämpfen, wies der Grünen-Politiker umgehend zurück. „Ich fühle mich geehrt, dass man mir das zutraut. Aber das ist es dann auch“, sagte Fischer, „eine Rückkehr des Joschka Fischer in die Politik ist ausgeschlossen.“

Trittin: Debatte stehe „jetzt nicht an“

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin betonte, eine Debatte über einen eigenen Kanzlerkandidaten stehe „jetzt nicht an“. Ausschlaggebend seien nicht Umfragen, sondern die nächsten Wahlergebnisse. Diese zeigten, „ob solche Überlegungen überhaupt eine reale Grundlage haben“. Auch Grünen-Chefin Claudia Roth bezeichnete die Debatte als verfrüht. „Das ist doch ferne Zukunft, und ich habe keine Glaskugel zu Hause.“

Interne Debatten gibt es aber bereits jetzt, wie die Grünen mit dem eigenen Höhenflug umgehen sollen. Nach Informationen des Nachrichtenmagazins „Spiegel“ forderte Trittin bei einem Treffen führender Vertreter des linken Parteiflügels, dass sich die Grünen „eher bald als später“ auf eine rot-grüne Koalition nach der Bundestagswahl 2013 festlegen sollten. Das sei eine Lehre aus dem Wahlsieg in Baden-Württemberg, der das Ergebnis einer „rot-grünen Zuspitzung“ gewesen sei. Eine 19-seitige Wahlanalyse aus dem linken Parteiflügel, die dem Magazin vorliegt, empfiehlt ebenfalls eine klare linke Profilierung der Grünen.

Öffnungskurs versus linkes Profil

Dagegen favorisieren Politiker des rechten Parteiflügels als Konsequenz aus der Wahl eine weitere Öffnung zur Mitte. Grünen-Chef Cem Özdemir sagte, die Partei solle den Sieg als „Chance auch zur programmatischen Tiefenarbeit nutzen“ und politische Werte aus anderen Parteitraditionen wie „Leistungsbereitschaft, Fortschritt oder Solidarität“ in die grüne Debatte einbeziehen.

Die politische Konkurrenz verfolgt das Hoch der Grünen aufmerksam. Die CSU erwartet eine langfristige Vormachtstellung der Grünen vor der SPD. „Die Grünen werden mittelfristig vor den Sozialdemokraten liegen und den Prozess der Zerbröselung der ehemaligen Volkspartei SPD weiter vorantreiben“, mutmaßte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt.

SPD will davon nichts wissen

Die SPD will davon nichts wissen. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sagte den Grünen ein baldiges Ende des Hochs voraus. „Wir werden 2013 keinen grünen Bundeskanzler haben, und das lässt sich auch nicht herbeischreiben“, sagte er. Auch Parteichef Sigmar Gabriel sieht für die Grünen keine reellen Chancen auf eine Kanzlerschaft.

Anders als die Grünen hält sich die SPD mit möglichen Kanzlerkandidaten aber nicht zurück. Steinmeier brachte am Wochenende Hamburgs Ersten Bürgermeister Olaf Scholz neu für diesen Posten ins Gespräch. Der lehnte allerdings dankend ab. (dapd)