Essen.. Schlappe bei den Landtagswahlen, scharfe Kritk an der Führungs-Spitze - im Interview gibt sich die Vorsitzende Gesine Lötzsch dennoch gelassen. Und verteidigt ihre umstrittenen Äußerungen zum Kommunismus.

Die Linkspartei hat bei den jüngsten Landtagswahlen Niederlagen erlitten, die Kritik an der Führung wächst. Im Gespräch mit der NRZ gibt sich die Vorsitzende Gesine Lötzsch dennoch gelassen – und verteidigt ihre umstrittenen Äußerungen zum Kommunismus.

Frau Lötzsch, sind Sie eine Kommunistin?

Lötzsch: Ich bin eine demokratische Sozialistin. Unsere Partei ist keine kommunistische Partei. Sie spielen mit der Frage auf meinen Namensartikel in der „Jungen Welt“ an. Die Diskussion über diesen Artikel hat mir gezeigt, dass die Frage, wie eine Gesellschaft aussehen und wie das Verhältnis zwischen Gemeinschaftlichem und Egoismen sein soll, viele Menschen gerade nach der dramatischen Finanzkrise durchaus bewegt.

Was bitte ist der Unterschied zwischen demokratischem Sozialismus und Kommunismus?

Lötzsch: Der demokratische Sozialismus stellt die Frage nach den Eigentumsverhältnissen neu. Für viele Menschen ist es heute völlig unverständlich, dass Unternehmen der Daseinsvorsorge wie Wasserbetriebe, Energieversorger oder Gesundheitseinrichtungen nicht in öffentlicher Hand sind. Auch in der Wirtschaft brauchen wir demokratische Entscheidungen. Was und wie produziert wird, darf nicht die Entscheidung einiger weniger Eigentümer sein.Der Kommunismus als klassenlose Gesellschaft ist ein uraltes Ideal von einer gerechten Gesellschaft, das wenn überhaupt in ganz ferner Zukunft erreicht werden könnte -. Erstaunlich sind aber die heftigen Reaktionen darauf, wenn man wie ich über dieses alte Ideal nachdenkt.

Wieso erstaunt Sie das? Unter dem Namen des Kommunismus sind schließlich Menschheitsverbrechen begangen worden.

Lötzsch: Die Tragik aller großen Ideen besteht darin, dass sie immer wieder missbraucht werden. Wir haben unsere Geschichte aufgearbeitet, und ich kann versichern, dass keiner der Auffassung war, dass wir in der DDR Kommunismus hatten.

Grundsätzlich nachdenken müssen Sie derzeit über den Kurs der Partei. Es geht abwärts.

Lötzsch: Wir sind in 13 Landesparlamenten und im Bundestag vertreten. Wir sind also stabil im Parteiensystem verankert. Rückschläge wird es immer wieder geben. Bei uns lag das vor allem an der fehlenden kommunalen Verankerung. Sicherlich hat aber auch die Katastrophe von Fukushima eine große Rolle gespielt.

Wegen dieser Katastrophe haben die Grünen gepunktet. Die Grünen haben mit ihrer strikten Anti-Atomhaltung ein Alleinstellungsmerkmal. Der Widerstand gegen die Agenda 2010 ist kein Alleinstellungsmerkmal der Linkspartei mehr. Braucht es die Linke überhaupt noch?

Lötzsch: Nach Fukushima ist doch die Spaltung der Gesellschaft nicht aufgehoben. Viele Fragen werden nur noch von uns angesprochen. Welche Partei interessiert sich noch für Menschen, die von ihrer Arbeit nicht leben können, das ist doch nur noch die Linke.

Die Krisenbewältigung hat in Deutschland systemstabilisierend gewirkt. Ärgert Sie das?

Lötzsch: Es gibt eine gefühlte Stabilität bei einem großen Teil der Gesellschaft, aber für viele Menschen sind die Arbeitsverhältnisse instabiler geworden .Ich sage nur: Zunahme der Leiharbeit und befristeter Arbeitsverträge. Der Aufschwung ist geteilt. Rentner bekommen diese Jahr 0,99 Prozent mehr, und einige DAX-Vorstände haben ihre Gehälter verdoppelt. Das trägt nicht zur Stabilität der Gesellschaft bei. Wir wollen, dass es vielen Menschen besser geht, und auch demokratische Sozialisten lieben gutes Leben.

...wie Ihr Co-Vorsitzender Klaus Ernst, der passionierter Porschefahrer ist.

Lötzsch: Es gibt im Bundestag genug Fahrradfahrer, die für Hartz IV und gegen den Mindestlohn gestimmt haben. Da ist es mir lieber, jemand fährt Porsche und fällt soziale Entscheidungen.

Nicht jeder in der Partei scheint der Meinung zu sein, dass Sie und Klaus Ernst die richtigen Entscheidungen treffen...

Lötzsch: Es ist in jeder Partei so - wenn es nicht steil aufwärts geht, wird gefragt, ob die Führung etwas falsch macht. Wir sind selbstkritisch, aber wir wollen das Kind auch nicht mit dem Bade ausschütten. Die Wahlniederlagen im Südwesten sind sehr vielschichtig.

Wie soll ihr Vorgänger Oskar Lafontaine denn künftig stärker eingebunden werden?

Lötzsch: Er war schon in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz einer der aktivsten Wahlkämpfer. Lafontaine gehört zu den Genossen in unserer Partei, die immer wieder mit neuen Gedanken Menschen begeistern können. Davon brauchen wir noch mehr.

In Nordrhein-Westfalen wird die Linkspartei noch immer vom Verfassungsschutz beobachtet. Wie viele Verfassungsfeinde gibt es bei Ihnen?

Lötzsch: Die gibt es nicht. Die Linkspartei steht auf dem Boden des Grundgesetzes. Das wissen alle. Ich empfehle in der Auseinandersetzung mit uns Argumentation und nicht das politische Instrument der Überwachung.