Düsseldorf. . Der politische Streit um die Gemeinschaftsschule, das Prestigeobjekt der rot-grünen Landesregierung, hat sich verschärft. Per Eilantrag wurde die Einführung der neuen Schule im sauerländischen Finnentrop zunächst gestoppt. Die Opposition will die neuen Schulform nun kippen.
Zwei kleine sauerländische Kommunen haben in der Landeshauptstadt reichlich Wirbel ausgelöst. Der erfolgreiche Vorstoß aus Attendorn und Lennestadt, die „Perspektivschule“ im benachbarten Finnentrop per Eilantrag vor Gericht erst einmal zu stoppen, hat den politischen Konflikt um die Gemeinschaftsschule neu entfacht. Schulministerin Sylvia Löhrmann, die das rot-grüne Vorzeigeprojekt in vorderster Reihe verficht, steht plötzlich auf rechtlich rutschigem Boden. Die Frontfrau der Grünen zieht nun vor das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster, um sich dort Rückendeckung für ihren Modellversuch zu holen.
Die beiden Kläger-Gemeinden hatten das Verwaltungsgericht Arnsberg angerufen, weil sie durch den geplanten Start der Gemeinschaftsschule in Finnentrop im Sommer und die befürchtete Sogwirkung eigene Schulen gefährdet sehen. Zwar konnte das Gericht kein Bestandsrisiko erkennen. Was es bemängelte, trifft die Düsseldorfer Schulpolitik aber im Kern: Die Genehmigung der Finnentroper Gemeinschaftsschule sei rechtswidrig, weil sie sich auf einen Schulversuch stütze. Um eine neue Schulform einzuführen, sei vielmehr ein „verfassungskonformes formelles Gesetz“ nötig.
Opposition fühlt sich bestätigt
Die schwarz-gelbe Opposition kritisiert seit langem den Umweg der rot-grünen Minderheitsregierung über Versuchsschulen und fühlt sich nun bestätigt. „Die Gemeinschaftsschule steht auf tönernen Füßen“, befand CDU-Fraktionschef Karl-Josef Laumann. Sein FDP-Kollege Gerhard Papke forderte, den Schulversuch umgehend zu stoppen.
Löhrmann sieht sich dagegen auf der sicheren Seite. „Wir teilen diese Rechtsauffassung nicht“, kommentierte sie die Arnsberger Entscheidung. Sie beruft sich auf das Verwaltungsgericht Aachen, das in einem ähnlichen Fall die Regierungsposition gestützt habe. Nun muss die nächsthöhere Instanz entscheiden, ob der Gemeinschaftsschulversuch gesetzlich wasserdicht ist.
Dabei hatte Löhrmann den Weg zur Regelschule bereits angepeilt, als sie im Sommer ihr pädagogisches Konzept vorstellte. Damals kündigte sie an: Wenn landesweit rund 50 Schulen die neue Schulform mit längerem gemeinsamen Lernen bis mindestens zum sechsten Schuljahr erproben wollen, müsse diese Schulform auch im Schulgesetz verankert werden. Zum Beginn des Schuljahres 2011/12 sind derzeit 14 Gemeinschaftsschulen genehmigt. 40 weitere haben laut Löhrmann ihr Interesse angemeldet. „Wir streben mit Hochdruck eine gesetzliche Regelung an“, sagte die Ministerin gestern.
100 Kinder angemeldet
Nach dem Koalitionsvertrag sollen bis 2015 mindestens 30 Prozent aller Schulen der Sekundarstufe I in Gemeinschaftsschulen umgewandelt werden. Vor allem dieses Ziel schürt den Argwohn der CDU, die nach Laumanns erster Brachialreaktion – „gewaltige Klatsche für die Schulministerin“ – auf Konsenskurs ging . Er lud Löhrmann sowie alle Fraktionen bis auf die Linke zu Gesprächen über einen „Schulfrieden“ ein. „Wir wollen die Schulpolitik aus den Gerichtssälen herausholen“, so CDU-Generalsekretär Oliver Wittke. Der Versuch, eine Regelschule per Schulversuch einzuführen, sei mit dem Fall Finnentrop gescheitert.
Besonders gespannt verfolgen dort rund 100 bereits angemeldete Schüler und ihre Eltern, wie es weitergeht. Bis zu den Sommerferien müssen sie wissen, ob ihre „Perspektivschule“ eine Perspektive hat.