Luxemburg. . Rom will Flüchtlingen aus Nordafrika die Weiterreise mit Touristenvisa erlauben. Die anderen Staaten Europas empfinden dies als Affront

Mit seiner Flüchtlingspolitik verärgert Italien Deutschland und die anderen europäischen Staaten immer stärker. Bei einem Treffen in Luxemburg betonten die EU-Innenminister, den kleinen Inselstaat Malta entlasten zu wollen. Italien aber nehme man keine Migranten ab.

Italiens Innenminister Roberto Maroni reagierte mit Empörung – und drohte mit dem Austritt aus der EU. „Die EU ist bereit, Banken zu retten und Kriege zu erklären, aber wenn es darum geht, einem Land in Schwierigkeiten zu helfen, dann versteckt sie sich.“ Ministerpräsident Berlusconi spricht vom „menschlichen Tsunami“, mit dem Italien allein fertig werden müsse. Italien drängt seit Wochen darauf, dass die anderen EU-Länder ihm einen Teil der Einwanderer aus Nordafrika abnehmen.

Der Stein des Anstoßes, der die EU-Innenminister aufbrachte: Italien will den unliebsamen Ankömmlingen aus Nordafrika befristete Aufenthaltsgenehmigungen ausstellen. So könnten Flüchtlinge auch in andere EU-Staaten reisen.

Furcht vor einem Sog

„Das können wir so nicht akzeptieren“, sagte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU). „Die große Befürchtung besteht jetzt darin, dass es einen Sog gibt.“ Denn Italien ermutige mit der Vergabe der Papiere die Menschen, sich auf den Weg nach Europa zu machen. Bis zu 25 000 Menschen hielten sich derzeit in Italien auf, wird geschätzt. Die meisten von ihnen seien illegale Einwanderer, die Arbeit suchten, aber nicht um Asyl bitten würden.

Das deckt sich mit Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM): Die meisten der mehr als 20 000 Ankömmlinge auf der italienischen Insel Lampedusa seien Tunesier. Nur 2000 afrikanische Migranten und Asylsuchende seien dort angekommen, hieß es vergangene Woche. In Malta hingegen sollen vor allem Vertriebene gelandet sein, die vor der Gewalt in Libyen geflüchtet seien.

Grenzkontrollen in Frankreich

Die Aussicht auf italienische Aufenthaltspapiere ermutige die Einwanderer zur Weiterreise, kritisierten die EU-Innenminister. Friedrich sagte: „Das tun die Italiener offenbar nicht mit dem Ziel, dass die Menschen in Italien bleiben, sondern dass sie Italien verlassen können.“ Sloweniens Vertreter verglich Italiens Hilferufe mit dem Versuch, einen Waldbrand zu exportieren. Will sagen: Löschen muss das südliche EU-Mitglied schon selbst.

Besonders beunruhigt ist Frankreich: Viele Tunesier sprechen die Sprache ihrer ehemaligen Kolonialmacht, viele der Auswanderer haben Freunde oder Verwandte in Frankreich. Das Land hat inzwischen punktuelle Grenzkontrollen eingeführt und Zweifel an der Legalität des italienischen Vorgehens angemeldet. Diese Zweifel räumte EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström allerdings aus: „Dazu ist Italien natürlich berechtigt.“

Wachsamkeit erhöhen

Das räumte auch der Bundesinnenminister ein – behielt sich ebenso wie Österreich aber ebenfalls die Verschärfung von Grenzkontrollen vor. „Wir haben noch keine Er­kenntnisse, dass sich die Zu­fluchtszahlen nach Deutschland erhöht haben“, sagte Friedrich. „Aber wir erhöhen die Wachsamkeit.“ Die Grenzen dicht machen darf Deutschland aber nicht. Das wäre nur bei einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung zu­lässig.

Rebellen wenig glücklich mit Friedensplan für Libyen

Der Friedensplan der Afrika­nischen Union (AU) für Libyen ist von den Rebellen kühl ­aufgenommen worden. ­Hunderte Oppositionelle ­empfingen die Delegation der AU in Bengasi mit lautstarkem Protest und bekräftigten ihre Kernbedingung für jegliche Friedensgespräche. „Das libysche Volk hat sehr klar gemacht, dass Gaddafi zurücktreten muss“, sagte Oppositionssprecher Mustafa Gheriani.

Die ­AU-Delegation war am Vortag in Tripolis gewesen und hatte von Machthaber Gaddafi die Zustimmung zu ihrem Friedensplan bekommen. Er sieht einen „sofortigen Waffenstillstand“, ein Ende der internationalen Luftangriffe, den ungehinderten Fluss humanitärer Hilfe und einen „Dialog“ über die Zukunft Libyens vor. Von einem Abtritt Gaddafis ist darin allerdings nicht die Rede. Auch nicht von einem Rückzug seiner Truppen aus den eroberten oder be­lagerten libyschen Städten.