Washington. 100 Tage ist der neue US-Präsident Barack Obama im Amt. Noch immer liegen ihm ganze Nationen zu Füßen. Doch es mehrt sich auch die Kritik. Wegen seiner neuen Botschaft der "soft power" im Weißen Haus wird Obama zum Teil als Schwächling bezeichnet. Seine Politik muss jetzt Früchte tragen.

Der Finsterling aus Teheran hat sich ins politische Abseits geflüchtet. Ahmadinedschads unsäglich dumme Tiraden gegen Israel, sein trotziges Auftrumpfen, den Prozess zur Herstellung von nuklearen Brennstäben zu beherrschen, stürzen Barack Obama in ein Dilemma: Ohne den Rückhalt der Regionalmacht Iran wird der Abzug der US-Streitmacht aus dem Irak zum unkalkulierbaren Risiko und - schlimmer noch – droht die angestrebte Kooperation mit den schiitischen Mullahs gegen die sunnitischen Taliban und den Drogensumpf in Afghanistan vorerst an einem Schwadroneur zu scheitern, der seinen Wiedereinzug ins Präsidentenamt im Juni nicht verpassen mag.

Kaum 100 Tage im Amt, suchen seine reaktionär-konservativen Gegner daheim Obama als naiven Schwächling zu brandmarken, der Amerikas Vormacht aufs Spiel setze. Wer zur Selbstkritik imperial überdehnter amerikanischer Macht nicht fähig sei, wer verstaubten Ideologien hinterher laufe, entgegnen Obamas Mitstreiter, werde nie willens sein, sich auf den Aufstieg neuer Mächte einzulassen und deren Interessen in einer multipolaren Welt zu berücksichtigen.

Ja, die Welt des 21. Jahrhunderts ist eine globale Interessengemeinschaft – in der Abwehr des Terrors verblendeter islamistischer Ideologen, im konzertierten Kampf gegen den Klimawandel, gegen die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, gegen die unberechenbare Weltwirtschaftskrise und gegen die bedrohliche Instabilität im Mittleren Osten.

Wandel durch Selbstkritik

Mit seiner offenen Selbstkritik an der mangelnden Fähigkeit amerikanischer Politik, die Interessen und Werte anderer zu sehen und auch zu respektieren, hat der 44. US-Präsident einen radikalen, aber richtigen Wandel eingeleitet. Doch in Washington wird längst die Frage diskutiert, was Obama denn tun muss, wenn die neue Botschaft der „soft power“ aus dem Weißen Haus ohne Echo bleibt: Wenn das von Amtsvorgänger Bush geadelte Schurkenregime in Nordkorea weiter mit der Bombe spielt; wenn jener Hassprediger in Teheran seine Ambitionen nicht auf die friedliche Nutzung der Kernenergie zu beschränken gedenkt; wenn die Heißsporne in Israel wider alle Vernunft und Ratschläge aus Washington einen militärischen Schlag gegen den Iran führen; wenn die geschrumpfte und in ökonomischer Bedrängnis befindliche Großmacht Russland aus panischer Sorge um ihr atomares Prestige die Chance zur Abrüstung ausschlägt – wenn also Obamas kollektive Vernunftpolitik an einer Verweigerungsfront zu zerschellen droht.

Dann, so ist unter eingeschworenen Parteigängern Obamas zu hören, werde dieser Präsident an die Grenzen seines neuen Politik-Ansatzes stoßen. Dann werde deutlich, wie gering sein Spielraum sei, die Spur seines Vorgängers zu verlassen – die Straffreiheit für die CIA-Folterer ist ein erstes Zeichen. Kurzum: Dann gelten andere Regeln, nicht länger die des Wandels, sondern der Härte. Aber gemach: Die Versuchsanordnung für eine neue Welt wird gerade erst aufgebaut.

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