Essen. . Endlich steht fest, wie man in Deutschland mit Kinderpornoseiten im Internet umgehen soll: Löschen statt Sperren. Das haben Union und FDP jetzt beschlossen und damit das umstrittene Gesetz zu Internetsperren gekippt. Beide Techniken haben Vor- und Nachteile.

Endlich steht fest, wie man in Deutschland mit Kinderpornoseiten im Internet umgehen soll: Löschen statt Sperren. Das haben Union und FDP jetzt beschlossen und damit das umstrittene Gesetz zu Internetsperren gekippt. Beide Techniken hatten Vor- und Nachteile.

1. Was ist der Unterschied zwischen Sperren und Löschen?


Beim Sperren wird nur der Zugang zu der Internetseite blockiert. Das geht schneller, weil das Bundeskriminalamt dabei nur mit den Internetprovidern zusammenarbeiten muss. Sperren galten jedoch schon immer als wenig effektiv. Löschen dauert länger. Dafür ist der Erfolg aber auch größer, denn die Inhalte werden komplett aus dem Internet getilgt werden.

2. Seit wann werden Kinderpornoseiten gelöscht?


Das Projekt „Löschen statt Sperren“ wurde seit Januar 2010 getestet. Ein paar Monate zuvor hatte sich die damalige Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen für die Internetsperren stark gemacht und das Zugangserschwerungsgesetz auf den Weg gebracht. Diese Idee wurde aber im Rahmen der „Zensursula“-Debatte heftig kritisiert, weshalb das Sperren für ein Jahr probeweise ausgesetzt werden sollte.

3. Wie funktionieren Internetsperren?


Das BKA erstellt Listen mit Internetseiten, die gesperrt werden sollen, und schickt sie an die Internetprovider. Diese blockieren dann den Zugang zu den angegebenen Websites über das Domain Name System (DNS). Normalerweise erreichen Nutzer eine Internetseite, indem sie in die Browserleiste den Domainnamen oder die URL (Uniform Ressource Locator) eintragen: www.beispiel.de. Der DNS-Server, von dem jeder Provider einen eigenen betreibt, übersetzt den Domainnamen in eine IP-Adresse. IP-Adressen bestehen nur aus Zahlen. Bei einer Sperre wird diese Übersetzung unterbrochen. Anstatt der Internetseite wird dem Nutzer ein Fehler gemeldet oder es erscheint eine standardisierte Stopp-Seite.

4. Warum geriet das Sperren von Kinderpornoseiten in die Kritik?


Internetsperren widersprechen dem Recht auf freie Meinungsäußerung, wie esim Grundgesetz verankert ist. Denn den Internetnutzern wird so der Zugang auf bestimmte Seiten unmöglich gemacht. Die Netzgemeinde befürchtete auch, dass zukünftig Internetsperren auch in anderen Bereichen wie etwa bei Glücksspielportalen angewendet werden könnten. Zudem gab es verfassungsrechtliche Bedenken: Mit dem BKA sollte eine Polizeibehörde dazu ermächtigt werden, über mediale Inhalte in Deutschland zu entscheiden. Denn eigentlich hätte eine Seite erst dann gesperrt werden dürfen, wenn dafür ein richterlicher Beschluss vorgelegen hätte. Das sah das Zugangserschwerungsgesetz aber nicht vor.

5. Was bringt es, Internetseiten zu sperren?


Nicht viel. DNS-Sperren sind zwar die einfachste, aber auch die schwächste aller technischen Lösungen. Austricksen kann der Anbieter die Sperren durch kleine, regelmäßige Änderungen der IP-Adresse. Als Besucher kann man die Sperre umgehen, indem man einfach die IP-Adresse in den Browser eingibt oder im Betriebssystem einen ausländischen DNS-Server einträgt.

6. Wie funktioniert das Löschen?


Eine Internetseite mit kinderpornografischem Inhalt kann jeder melden. Das BKA leitet diese Information über das Interpol-Netzwerk an die Polizeistellen in dem Land weiter, wo der Provider gemeldet ist. Dieser sorgt dann - im Idealfall - für die Löschung der Seite. Mit deutschen Providern nehmen die Beamten direkt Kontakt auf.

7. Wie schnell geht das Löschen?


In Deutschland gemeldete Seiten können binnen weniger Stunden aus dem Netz genommen werden. Bei Anbietern aus dem Ausland ist das schwieriger. Besonders viele Seiten sind in den USA, Russland und den Niederlanden registriert. Denn ob die ausländischen Behörden die Seiten wirklich löschen lassen, liegt außerhalb des Einflussbereichs des BKA. Nach einer Woche kontrollieren die Beamten des BKA, ob die Seite gelöscht worden ist.

8. Wie effektiv ist es, Kinderpornoseiten zu löschen?


Laut Angaben des Verbands der deutschen Internetwirtschaft (eco) liegt die Erfolgsquote zwischen 99 und 100 Prozent innerhalb von vier Wochen nach Entdeckung der Inhalte.

9. Was sind die Schwierigkeiten beim Löschen?


Kritiker finden die Vorgehensweise des BKA zu umständlich und finden, die Websites sollten viel schneller aus dem Netz verschwinden. Oft sind Seiten aus dem Ausland auch nach mehreren Wochen noch erreichbar. Dafür gibt es einen Lösungsweg, den das BKA aber nicht beschreiten möchte, erklärt Michael Kappe, Sprecher der Kinderhilfsorganisation Carechild: „Löschen geht viel schneller, wenn man den Providern direkt Druck macht und nicht erst die ausländischen Behörden kontaktiert.“ Dabei verweist er auf eine britische Studie aus dem Jahr 2008. Zwei Forscher fanden damals heraus, dass sich auch Seiten im Ausland so innerhalb von nur 12 Stunden löschen ließen. „Wir dürfen nicht in die Souveränität eines anderen Staates eingreifen“, erklärt hingegen eine Sprecherin des BKA.

10. Können die Anbieter die Löschung ihrer Seite umgehen oder rückgängig machen?


Natürlich haben die Anbieter die Inhalte ihrer Seiten meist irgendwo gespeichert. Wenn ihre Homepage gelöscht wird, können sie einfach eine neue Seite eröffnen und die Kinderpornos dort veröffentlichen. Daher sehen Kritiker die Gefahr, dass das Vorgehen des BKA auch mehr Schaden anrichten könnte, als es hilft. Michael Kappe von Carechild kritisiert: „Die Betreiber werden gewarnt und die Strafverfolgung wird so unmöglich gemacht.“ Das BKA versucht allerdings, neben der Löschung der Seite auch Beweise gegen die Anbieter zu sammeln.