Berlin/Essen. . Der Stromkonzern RWE sucht die Konfrontation mit der Regierung. Er drohte kaum verhüllt, das Kernkraftwerk Biblis A wiederhochzufahren. Experten sehen gute Chancen, dass RWE mit seiner Klage gegen die Stilllegung vor Gericht gute Chancen hat.
Lange her, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (C DU) und RWE-Chef Jürgen Großmann mit Schnaps anstießen. In diesen Tagen dürfte es nicht mal zu einem Glas Mineralwasser reichen. Regierung und der Essener Stromkonzern steuern auf Konfrontationskurs.
So reichte RWE gestern nicht nur Klage ein gegen die vorübergehende Stilllegung des Kernkraftwerks Biblis A, das Unternehmen zog auch eine Erklärung zurück, dass es keine Vorkehrungen zum Wiederhochfahren des Meilers treffe. Möglicher Grund: RWE will sich zur Abschaltung anweisen lassen. Das könnte die Klage-Position stärken.
Und RWE hat nach Meinung des Ex-Chefs der Atomaufsicht, Wolfgang Renneberg, realistische Chancen, die Klage gegen die Abschaltung von Biblis A zu gewinnen. „Die Chancen stehen mindestens 50:50, dass RWE Erfolg hat“, sagte Renneberg der WAZ.
Er kritisierte den von Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) geplanten Stresstest für Atomkraftwerke als „symbolischen Akt“. „Eine richtige Prüfung ist in der Kürze der Zeit nicht möglich, man kann nicht von einer Sicherheitsüberprüfung reden.“ Die Risiken der alten Anlagen seien bekannt: „Dafür braucht man keinen Stresstest.“
„Die Chancen für RWE stehen 60:40“
Auch der Atomrechtler Hartmut Gaßner, der Grüne und SPD in der Verfassungsklage gegen die Laufzeitverlängerung vertritt, sieht eine gute Ausgangslage für den Essener Energieriesen: „Ich würde sagen, die Chancen von RWE stehen bei 60 zu 40.“
In der Politik gehen die Meinungen über das Vorgehen von RWE indes auseinander.
Die Regierung habe die Klage zur Kenntnis genommen, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. „RWE hat als Unternehmen das Recht, so zu handeln.“ Zugleich dementierte Seibert einen Bericht, wonach sich die Spitzen von Union und FDP auf ein endgültiges Aus für die sieben Altmeiler plus Krümmel verpflichtet haben. „Die Vorentscheidung gibt es nicht.“
„Ich habe volles Verständnis für die Klage von RWE“, sagte Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs. „Der Vorstand ist verpflichtet, einen Vermögensschaden vom Konzern abzuwenden.“ Deshalb sei RWE schon den Aktionären gegenüber zur Klage verpflichtet.
„Das Moratorium verkürzt nicht die Laufzeiten“
Das sieht der Düsseldorfer Aktienrechtler Ulrich Noack differenzierter. Es gebe nur die juristische Vorgabe, dass der Vorstand zum Wohle der Gesellschaft handeln muss. Es stelle sich die Frage, mit welchen Maßnahmen. „Man darf nicht nur auf den Gewinn schauen, auch die öffentliche Wahrnehmung gehört zum Unternehmenswohl.“
Der umweltpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Michael Kauch, zweifelt die Klagegrundlage an. „Abgesehen von laufenden Personalkosten entsteht den Konzernen kein nennenswerter wirtschaftlicher Schaden“, sagte Kauch. „Durch das Moratorium werden die Laufzeiten nicht verkürzt, sondern nur vorübergehend ausgesetzt.“
Edmund Brandt, Atomrechtler an der TU Braunschweig, hätte statt des Moratoriums lieber ein neues Atomrecht gesehen, mit verkürztem Ausstieg: „Wenn es einen gemeinsamen politischen Willen gibt, lässt sich dafür eine gesetzliche Form finden“.
Und das sehr zügig. Zur Erinnerung: In der Finanzkrise wurde das Bankenrettungsgesetz in einer Woche verabschiedet.