Stuttgart. Politisches Erdbeben in Baden-Württemberg: Winfried Kretschmann wird erster grüner Ministerpräsident. Der bisherige Regierungschef Stefan Mappus und die CDU haben die Wahl knapp verloren. .

Nach fast sechs Jahrzehnten CDU-Herrschaft steht Baden-Württemberg vor einem Machtwechsel und könnte künftig von einem grünen Ministerpräsidenten regiert werden. Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis holen Grüne und SPD 71 von 138 Sitzen im Stuttgarter Parlament. Den Grünen gelang es dabei, neun Direktmandate zu erobern. CDU und FDP kommen zusammen auf 67 Mandate. Die CDU fährt demnach mit 39 Prozent das schlechteste Wahlergebnis in Baden-Württemberg seit 1960 ein, bleibt aber trotz der Stimmenverluste von rund sechs Prozentpunkten erneut stärkste Kraft im Stuttgarter Landtag. Der Koalitionspartner FDP kommt auf lediglich fünf Prozent, schafft aber erneut den Einzug in den Landtag.

Kretschmann mag sich bei Stuttgart 21 nicht festlegen

Wahlsieger und zweitstärkste Kraft werden die Grünen mit rund 24 Prozent, die ihren Stimmenanteil damit gegenüber dem Urnengang von 2006 rund verdoppeln. Damit hat Grünen-Spitzenkandidat Winfried Kretschmann gute Chancen, erster grüner Ministerpräsident in der Geschichte der Bundesrepublik zu werden. Denn die Grünen erringen voraussichtlich zusammen mit der SPD die Mehrheit der Sitze im Landtag. Fritz Kuhn, Vizechef der Grünen-Bundestagsfraktion, sagte, er gehe davon aus, dass die Grünen den Ministerpräsidenten stellten. "Es gibt einen klaren Regierungsauftrag gemeinsam mit den Sozialdemokraten", sagte Kuhn. Über die Zukunft des Milliardenprojekts "Stuttgart 21" wollte sich Kretschmann nicht äußern. Heute Abend werde erst einmal gefeiert, ab morgen werde er darüber nachdenken, sagte Kretschmann. Die Grünen hatten im Wahlkampf gegen das Bahnhofsprojekt Position bezogen.

SPD verliert leicht und will Juniorpartner in grün-roter Koalition werden

Dicht hinter der Ökopartei kommt die oppositionelle SPD mit rund 23 Prozent nur auf Platz Drei. Die Sozialdemokraten verlieren zur Landtagswahl 2006 rund zwei Prozentpunkte und fahren damit das schlechteste Ergebnis bei einer Landtagswahl in Baden-Württemberg ein. Die SPD und ihr Spitzenkandidat Nils Schmid haben sich bereiterklärt, eine Koalition unter Führung der Grünen mitzutragen. Schmid sagte im SWR-Fernsehen: "Wir haben es geschafft, der Wechsel ist da." Schwarz-Gelb sei abgewählt worden. Es gebe einen "klaren Regierungsauftrag für SPD und Grüne, den wir gemeinsam annehmen werden". Die Linkspartei sei dafür nicht nötig, da die Linken den Hochrechnungen zufolge wie 2006 den Einzug ins Landesparlament verpassten.

CDU: Wahl ist in Japan entschieden worden

"Diese Landtagswahl ist in Japan entschieden worden", sagte CDU-Generalsekretär Thomas Strobl. In Japan sind nach dem verheerenden Erdbeben und einer meterhohen Flutwelle seit Tagen mehrere Atomreaktoren außer Kontrolle. "Wir sind bereit die Oppositionsrolle anzunehmen", sagte Strobl. Zu der Niederlage dürfte auch der Streit um das Bahnprojekt Stuttgart 21 beigetragen haben, gegen das seit mehr als einem Jahr Zehntausende Bürger in der baden-württembergischen Landeshauptstadt protestieren. Die Grünen lehnen das milliardenschwere Bauvorhaben ab, die SPD will die Bürger in einer Volksabstimmung darüber entscheiden lassen.

Die Wahlbeteiligung fiel mit 66 Prozent deutlich höher als vor fünf Jahren, als sie bei 53,4 Prozent lag.Baden-Württemberg steht vor einem Machtwechsel: Nach der Landtagswahl am Sonntag können Grüne und SPD ersten Hochrechnungen zufolge die schwarz-gelbe Landesregierung von Ministerpräsident Stefan Mappus ablösen. Die CDU wird demnach zwar erneut stärkste Kraft im Stuttgarter Landtag. Allerdings stürzen die Christdemokraten der ARD zufolge deutlich ab. Noch härter trifft es die Liberalen, doe noch um den Einzug in den Landtag bangen müssen.

Die Landtagswahl galt zudem als "Volksabstimmung" über das umstrittene Bahnprojekt "Stuttgart 21", das einen unterirdischen Ausbau des Hauptbahnhofs vorsieht. Die CDU steht klar hinter dem Projekt, dessen Finanzrahmen zuletzt ausgeufert ist. Die Grünen lehnen das Projekt ab.

Für Guido Westerwelle wird die Luft dünner

Bei der Landtagswahl 2006 hatte die CDU in Baden-Württemberg 44,2 Prozent der Stimmen erhalten, die SPD 25,2, die Grünen 11,7 und die FDP 10,7 Prozent.

Mit Spannung wurde am Sonntag erwartet, ob das Ergebnis der Landtagswahl auch personelle Konsequenzen in Berlin haben wird. Insbesondere für den FDP-Bundesvorsitzenden Guido Westerwelle könnte die Luft nun dünn werden. Aber auch in der CDU wird eine Debatte darüber erwartet, in welchem Umfang die Parteivorsitzende und Bundeskanzlerin Angela Merkel mitverantwortlich für das Wahldebakel ist. (dapd, rts)