Berlin. . Der frühere Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) Wankelmütigkeit im Umgang mit der europäischen Schuldenkrise vorgeworfen.
Damit habe sie Vertrauen in Deutschland und Europa verspielt und Verunsicherung an den Märkten mitverursacht, sagte Steinbrück am Donnerstag im Bundestag.
„Sie haben es versäumt, den Märkten ein klares Signal zu geben“, warf der SPD-Politiker der Kanzlerin vor. Die Märkte hätten nie gewusst, woran sie sind. „Insofern ist die Krise in Europa eine Führungs- und Glaubwürdigkeitskrise“. Und dafür sei Merkel mit vielen Meinungsänderungen verantwortlich. „Sie haben sich mit den Tabuisierungen und Ideologisierungen in Hinblick auf eine Transferunion ingemauert“, attackierte er die Kanzlerin.
Die Richtigkeit des beim EU-Gipfel zur Abstimmung stehenden umfassenden Hilfepakets für die Gemeinschaftswährung stellte Steinbrück nicht in Abrede. „Dieses Paket ist notwendig, aber nicht hinreichend“, urteilte er. Es komme aber zu spät. Zudem müsste es ergänzt werden. So brauche Europa eine Insolvenzordnung für Banken. Die Beteiligung der Banken, der privaten Gläubiger, dürfe nicht nur auf den Fall eine Staateninsolvenz beschränkt bleiben, der ja ohnehin nicht eintreten solle. Sie müsse auch schon für Liquiditätsaktionen gelten. Der Ex-Finanzminister prophezeite: „Das Szenario einer Umschuldung wird eintreten.“
Ungleichgewichte in Europa sollten durch eine Strategie aus Wettbewerbsstärkung und Impulse für die Binnennachfrage in Ländern wie Deutschland behoben werden, schlug Steinbrück vor. Insgesamt bedürfe es einer Stärkung Europas, nicht nur wirtschaftlich und politisch, sondern umfassend gesellschaftlich. Dabei müssten bei europäischen Entscheidungsprozessen die Parlamente stärker einbezogen werden.
Zurück im politischen Rampenlicht
Über 20 Minuten antwortete Steinbrück auf Merkels Regierungserklärung zum EU-Sondergipfel zur Währungsunion – und trat damit eindrucksvoll zurück ins politische Rampenlicht, das der frühere Bundesfinanzminister nach der verheerenden Niederlage der SPD bei der Bundestagswahl 2009 beharrlich gemieden hatte. Mehrere Abstimmungen hatte Steinbrück sausen lassen, hatte sich stattdessen in eine Kemenate zurückgezogen und das Buch „Unterm Strich“ geschrieben, wobei er betont, dass jede Zeile von ihm selbst stammt.
Auch Bemühungen der Parteispitze, ihn auf prominenten Posten zu platzieren, scheiterten kläglich an Steinbrücks Weigerung: Chef der Friedrich-Ebert-Stiftung? Bundesbankpräsident? Steinbrück lehnte ab, zuweilen mit seiner berüchtigten messerscharfen Zunge. Dass Steinbrück im Bundestag als einziger Redner aus der SPD seiner früheren Chefin, mit der er während der Großen Koalition gut harmonierte, den finanzpolitischen Spiegel vorhielt, nährt erste Spekulationen, dass die SPD einen möglichen Kanzlerkandidaten erlebte. (rtr/we)