Brüssel/Essen. . Politiker aus NRW kritisieren parteiübergreifend die EU-Partner im Westen. Die Niederlande, Belgien und Frankreich halten an der Kernkraft fest. Dagegen regt sich heftiger Widerstand. Ein atomarer Unfall kennt keine Grenzen, meinen viele.

Zwischen Deutschland und seinen westlichen Nachbarn ist ein heftiger Streit über die Zukunft der Kernenergie entbrannt. Politiker aus NRW kritisieren parteiübergreifend das Festhalten der Niederländer, Belgier und Franzosen an der Atomkraft. Sie warnen: Ein atomarer Unfall kenne keine Grenzen.

„Die niederländische Regierung verhöhnt den Willen ihrer Bürger, wenn sie an der Atomkraft festhält“, sagte Sven Lehmann, Chef der NRW-Grünen. Die niederländische Regierung hatte angekündigt, trotz der Katastrophe in Japan eine zweite Atomanlage in Borssele bauen zu wollen. Premier Mark Rutte hatte die deutsche Atompolitik jüngst „merkwürdig“ genannt. Laut einer Umfrage ist inzwischen eine knappe Mehrheit der Niederländer gegen die Kernenergie. In der Nähe von NRW liegen mehrere ausländische Atomkraftwerke, unter anderen Borssele, Tihange und Doel (beide Belgien) sowie Chooz in Frankreich.

Die NRW-Landtagsabgeordnete Daniela Schneckenburger (Grüne) sieht die atomfreundlichen Regierungen auf dem „Irrweg“. Deutschland sei gut beraten, autonom über seine Energiepolitik zu entscheiden und „mit gutem Beispiel voranzugehen“.

Die Aachener Europaabgeordnete Sabine Verheyen (CDU) mahnt die EU-Nachbarn zur Rücksichtnahme auf Deutschland: „Es hat ja einen Grund, dass die Franzosen, Belgier oder Holländer ihre AKW gern nahe an der Grenze bauen. Bei solchen Entscheidungen müssen die Nachbarn stärker einbezogen werden. Außerdem muss man die Notfall-Pläne vereinheitlichen.“

Auch der EU-Abgeordnete Bernd Lange (SPD) fordert einheitliche Sicherheitsstandards: „Holländische und belgische Meiler sind für Deutschland aufgrund der Nachbarschaft und der Westwinde eine Gefahr. Die belgische Anlage Tihange liegt gerade 64 Kilometer von Aachen entfernt.“ Es sei unverantwortlich, Atomkraft-Fragen rein national zu behandeln. Umso unverständlicher sei es, dass Belgien die Laufzeiten seiner alten Meiler verlängern wolle.

Die rheinland-pfälzische Grünen-Chefin Eveline Lemke sagte der WAZ, es mangele an einer ausreichenden grenzüberschreitenden Information im Fall von Unregelmäßigkeiten – so im Fall des französischen Meilers Cattenom.

Italien legt seine Atomkraft-Pläne für ein Jahr auf Eis. Vier Reaktoren sollten gebaut werden. Derzeit hat das Land keine eigenen Anlagen.

Die Anti-Atom-Bewegung in Deutschland plant für Samstag Großdemonstrationen in Köln, Berlin, Hamburg und München mit über 100 000 Teilnehmern. Gruppen im Ruhrgebiet haben zu einer Demo gegen den Energiekonzern RWE am 2. April in Essen aufgerufen. Zu den Forderungen, die sie am „Schreibtisch der Atomlobby“ vortragen wollen, gehört der Verkauf des 16-prozentigen Aktienanteils, den die fünfzehn Revierstädte am Konzernkapital halten.