Berlin. .

Es ist ein kurzer Film mit Stefan Mappus. Szene eins stammt von 2010: Baden-Württembergs Ministerpräsident fordert vehement den Rücktritt von Umweltminister Norbert Röttgen, weil dieser nur eine moderate Laufzeitverlängerung wollte. Szene zwei ist neu: AKW-Hardliner Mappus spielt nun den beinharten Atomkraftkritiker.

Ein breites Grinsen huscht über Röttgens Gesicht am Ende des Films. Der Umweltminister verzichtet, auf den schwäbischen Parteifreund einzuprügeln. Ist auch nicht nötig. Seit Japan ist Röttgen wieder da, wo er sich am liebsten sieht: in der ersten Reihe der Politik. Während Mappus wie viele andere CDU-Politiker im Abklingbecken für einstige Meiler-Fans dümpelt, treibt der Landeschef der NRW-CDU den Atomausstieg an vorderster Front voran.

Schon aus Eigennutz. In NRW drohen Neuwahlen. Da ist die Flucht aus der Kernkraftecke hilfreich. Immerhin kann Röttgen den Atomsalto rückwärts leichter als andere Unionsgrößen verkaufen, da er immer recht kernkraftkritisch war. Zudem ist Röttgens Bilanz bescheiden. Erst konnte er sich beim Energiekonzept nicht mit seiner Laufzeitenvorstellung durchsetzen und war in der Union isoliert. Zuletzt kam das Ökosprit-Debakel. Wirtschaftsminister Brü­derle (FDP) düpierte den Ressortkollegen mit seiner Benzingipfel-Idee - und Röttgen stand am Pranger.

Röttgen bestimmt die Debatte

Getrieben von Brüderle? Aus und vorbei. Nach dem Atomunglück in Japan be­stimmt Röttgen die Debatte.

Freitag: Nach dem Beben ruft Japans Regierung den atomaren Notstand aus. Röttgen sieht keine Gefahr für Deutschland.

Samstag: Block 1 explodiert, Kernschmelze droht. Röttgen hält morgens eine „politische Diskussion“ über Sicherheit und Laufzeiten von AKW für „völlig deplatziert.“ Abends ruft Kanzlerin Merkel zum Krisengipfel. Deutschland kann „nicht einfach zur Tagesordnung übergehen“ (Merkel). Röttgen spricht von einer „Zäsur“ und will den schnelleren Übergang zu erneuerbaren Energien.

Sonntag: Offenbar teilweise Kernschmelze in Block 1, in Reaktor drei fällt die Kühlung aus. Röttgen verlangt eine „Grundsatzdebatte“ über Atom­energie, will höchste Si­cherheitsstandards, „ohne Rück­sicht auf Kosten“. Die FDP beharrt auf längeren Laufzeiten.

Showdown im Kanzleramt

Montag: Explosion in Reaktor drei, Kühlausfall in Reaktor zwei. Drohende Kernschmelze in drei Blöcken. Röttgen fordert die Neupositionierung der CDU in der Atomkraft. Merkel kündigt ein dreimonatiges Moratorium an. Die Idee kommt von Röttgen. Dieser stellt die längeren Laufzeiten insgesamt infrage, spricht vom Aus für Neckarwestheim I, will den schnellstmöglichen Ausstieg aus der Atomenergie und eine strengere Risikobewertung. Soll heißen: AKW sollen künftig ge­gen Flugzeugabstürze gesichert sein. Das forderte Röttgen 2010 – damals erfolglos.

Dienstag: Explosionen in den Blöcken zwei und vier. Feuer in Block vier. Showdown im Kanzleramt: Merkel, Röttgen, Brüderle und fünf CDU-Landesminister beraten über das Moratorium und treten vor die Presse. Die Altmeiler sollen drei Monate stillstehen und überprüft werden. Ob sie wieder angefahren werden, lässt Röttgen offen. Der Umweltminister wirkt zufrieden, Mappus apathisch. Brüderle warnt vor höheren Strompreisen, macht aber keine Querschüsse. Das Landesverfassungsgericht von NRW kippt den Nachtragshaushalt der Landesregierung. Nun hat Röttgen zwei Großbaustellen: die Energiewende und drohende Neuwahlen. Freuen kann ihn das nicht, weil die CDU in NRW praktisch keine Machtoption hat.

Röttgens Ausstiegspläne gehen anderen in der Union zu weit

Mittwoch: Feuer in Block 4. Japans Kaiser spricht zum Volk – und Röttgen via „Stern“ zu den Bürgern. Er will längere Laufzeiten für Altmeiler kippen, gibt Atomkraft noch 15 Jahre und fordert den „breiten gesellschaftlichen Dialog“ über die Zukunft der Atomkraft.

Donnerstag: Die Brennstäbe in Reaktor 4 sind kurz vor dem Siedepunkt. Techniker ar­beiten am neuen Starkstromkabel für das AKW. Kernkraft-Debatte im Bundestag. Merkel lässt die Zukunft der Altmeiler offen. Röttgen kommt in die Kritik von Teilen der Union. Ihnen gehen seine Ausstiegspläne zu weit. Das Umweltministerium arbeitet eine Liste mit deutlich höheren Sicherheitsstandards aus.

Freitag: NRW-CDU-Generalsekretär Wittke fordert eine Mitgliederbefragung aller CDU-Landesverbände zur Energiepolitik. Schwer vorstellbar, dass er dies ohne Röttgens Wissen tut. Dieser bestätigt die Existenz der Liste, die könnte das Aus für alle 17 Meiler bedeuten.

Wenn sich Röttgen damit durchsetzte, wäre es ein großer Sieg des Umweltministers – auch über seine Kritiker in der Union. Dann dürfte sich Röttgen als Merkel-Kronprinz wähnen. Ob die Kanzlerin ihn gewähren lässt, ist offen. Im­merhin hält er sich schon heute einiges zugute. „Ich bin froh, dass ich zu allen meinen Äußerungen, die ich früher getan habe, stehen kann.“ Mit besten Grüßen an Herrn Mappus.