Tokio. . Mit Wasserbomben aus dem Hubschrauber versuchen die Rettungskräfte in Japan die Reaktoren zu kühlen. Sollte der Kühl-Effekt nicht eintreten, so ein Experte, „kann man nichts mehr machen“.

Japan hofft noch immer, eine nukleare Katastrophe zu vermeiden. So kämpfen die Helfer im Krisen-AKW Fukushima verzweifelt gegen die Überhitzung des havarierten Reaktors 3. 20 Helfer meldeten sich freiwillig – Helfer, die wissen, dass sie sich einer sehr gefährlichen Strahlenbelastung aussetzen. „Das ist wie ein Himmelfahrtskommando im Krieg“, sagte Professor Keiichi Nakagawa aus der Radiologieabteilung der To­kioter Uniklinik.

Die Kühlung mit Wasser ist der einzige Weg, die Strahlung zu stoppen. Vier Versuche, mit Helikoptern Wasser gezielt abzuwerfen, scheiterten: Weil die Strahlenbelastung über dem Reaktor zu hoch war, musste das Wasser im Vorbeifliegen abgeworfen werden.

Ebenfalls in Reaktor 3 versuchten Soldaten, 30 Tonnen Wasser in ein Abklingbecken zu pumpen, um verbrauchte Brennstäbe zu kühlen. Immerhin gingen die Strahlenwerte kurzzeitig zurück.

Die Experten setzen nun auf eine neu gezogene Stromleitung, mit der die defekten Kühlaggregate wieder in Gang gesetzt werden könnten. Ob diese Aggregate überhaupt noch funktionieren, ist ungewiss. Wenn die Abkühlung nicht gelänge, „kann man praktisch nichts mehr machen“, sagte der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Strahlenschutz Sebastian Pflugbeil. „Dann wird ein Dominoeffekt einsetzen, eine Anlage nach der anderen wird versagen, man kommt nicht mehr heran.“

Es fehlen Särge

Aufgrund der hohen radioaktiven Strahlung legten die Behörden den Bewohnern der Region in einem Umkreis von 30 Kilometern nahe, das Gebiet zu verlassen oder wenigstens in ihren Häusern zu bleiben. Laut Fernsehberichten sind 28 000 Menschen in der Region auf der Flucht. Nach Ansicht der US-Strahlenschutzbehörde NRC sollte sogar ein Umkreis von 80 Kilometern um das Kraftwerk evakuiert werden.

Beben und Tsunami forderten offiziell bisher mehr als 5200 Todesopfer. Behörden gehen allein für die Präfektur Miyagi von mehr als 10 000 Opfern aus. Im einstigen Fischerstädtchen Minami Sanriku werden mehr als 8500 Menschen vermisst. Die Krematorien seien der Belastung nicht mehr gewachsen, berichten Behörden. Auch gebe es zu we­nig Leichensäcke und Särge. 400 000 Menschen müssen derzeit in Notlagern ausharren. Viele von ihnen haben ihr gesamtes Hab und Gut verloren. Im Fischereihafen Kessennuma mit seinen 75 000 Einwohnern machte der mehr als zehn Meter hohe Tsunami 17 000 Menschen obdachlos. In der Region um die Provinzmetropole Sendai müssen 850 000 Haushalte ohne Strom auskommen, 1,5 Millionen Haushalte haben kein Wasser. Die Krise wird vom Wintereinbruch mit heftigen Schneefällen in der betroffenen Region verschärft

Ausländer fliehen

Die Katastrophe im Kernkraftwerk bringt auch in der nahen Hauptstadtregion um Tokio mit ihren 35 Millionen Einwohnern den Alltag durcheinander, weil es immer wieder zu Stromausfällen kommt – schließlich sind außer Fukushima vier weitere Kernkraftwerke nicht mehr am Netz.

Immer mehr Ausländer verlassen das Land. Großbritannien hat bereits Charterflüge für seine Landsleute angekündigt, die Schweiz bietet sie ihren Bürgern ebenfalls an. Noch ist unter Japanern keine Panik ausgebrochen. Wer kann, versucht allerdings, sich in den Süden des Landes abzusetzen.