Berlin. .

Die Katastrophe in Japan und am Atomkraftwerk Fukushima bringt in die Debatte über Kernkraft in Deutschland die Debatte Zündtsoff. SPD und Grüne verlangen eine Rückkehr zum Atomausstieg. Umweltminister Röttgen sieht das anders.

Angesichts des dramatischen Atomunfalls in Japan hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel tief besorgt geäußert. Wahrscheinlich habe eine Kernschmelze stattgefunden, es handele sich um eine „außergewöhnlich schwierigen Situation“, sagte die CDU-Chefin am Samstag in Frankenthal. Doch werde das Unglück Deutschland „nach menschlichem Ermessen nicht beeinflussen“.

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    Merkel berief für den Abend ein Krisentreffen im Berliner Kanzleramt mit ihren zuständigen Ministern ein. Sie stehe im Kontakt zur japanischen Regierung, sagte sie. Katastrophen-Spezialisten seien bereits auf dem Weg. „Wir denken an die Menschen und die Opfer in Japan“, betonte die Kanzlerin. Zur Atomkraft in Deutschland äußerte sich Merkel zunächst nicht. SPD, Grüne und Umweltschützer sehen das Unglück jedoch als Beleg für die hohen Risiken der Reaktortechnik und verlangten eine Rückkehr zum Atomausstieg.

    Das Treffen von Merkel, Außenminister Guido Westerwelle (FDP), Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) diene der Lagebesprechung, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Noch sei die Situation in Japan sehr unübersichtlich. Dort befürchten die Behörden, dass im Atomkraftwerk Fukushima ein GAU bevorsteht.

    „Beschädigung unseres Landes ausgeschlossen“

    Auch Umweltminister Röttgen bekräftigte, für Deutschland bestehe keine Gefahr. „Wir gehen davon aus, dass eine Beschädigung unseres Landes ausgeschlossen werden kann“, sagte der CDU-Politiker in Siegen. Die große Entfernung zu Japan sowie Wetterlage und Windrichtung in dem Katastrophengebiet machten eine Gefährdung der Bundesrepublik unwahrscheinlich.

    Röttgen wandte sich angesichts der Notlage in Japan auch gegen politische Diskussionen über die Sicherheit und Laufzeit von Kernkraftwerken in Deutschland. „Ich halte das für völlig deplaziert“, sagte der Minister.

    Ähnlich äußerte sich sein Parteikollege Michael Fuchs. „Es ist nicht berechtigt, aus den Ereignissen in Japan Rückschlüsse auf die Nutzung der Kernenergie in Deutschland zu ziehen“, sagte der stellvertretende Unions-Fraktionschef der „Welt am Sonntag“.

    Grüne befürchten Katastrophe unfassbaren Außmaßes

    SPD und Grüne sehen dagegen sehr wohl Anlass, die Verlängerung der Laufzeiten deutscher Atomkraftwerke rückgängig zu machen. Auch die deutschen Anlagen seien für einen derartigen Notfall nicht ausgelegt, erklärte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin. Das sei der Grund für den Atomausstieg gewesen. Umso unverständlicher sei es, dass Röttgen so tue, „als sei Deutschland von den Vorgängen in Japan unberührt“, betonte Trittin.

    Die Parteivorsitzenden Claudia Roth und Cem Özdemir erklärten: „Hier bahnt sich offensichtlich eine Katastrophe von unfassbaren Ausmaßen an.“ Nach dem Erdbeben und der Zerstörung vieler Wohnungen sei die Bevölkerung schlecht geschützt. Auch sei die Informationspolitik der japanischen Behörden desaströs. Nun müssten schleunigst alle Fakten auf den Tisch. Der drohende GAU zeige, dass die hochgefährliche Risikotechnologie Atomkraft nicht beherrschbar sei.

    Gabriel mahnt zur Zurückhaltung

    Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel und SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier äußerten sich

    sehr zurückhaltend. Das Leid der Japaner dürfe nicht für innenpolitischen Streit instrumentalisiert werden, mahnte Gabriel. „Die Katastrophe in Japan erschüttert uns alle.“ Zum Atomausstieg erklärte er nur: „Die ablehnende Haltung der SPD zur Atomenergie ist klar und bekannt. Heute ist nicht der Tag, sie noch mal ausdrücklich zu wiederholen.“

    Der frühere SPD-Chef und rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck meinte dennoch in der „Leipziger Volkszeitung“: „Gerade unter dem Eindruck eines solchen Risikos wünschen sich wohl alle vernünftigen Menschen ganz dringend, das es beim Ausstieg aus der nicht beherrschbaren Kernkraft bleibt.“ Der SPD-Umweltexperte Matthias Miersch erklärte ebenfalls, das Thema müsse erneut auf die Tagesordnung. Die Bundesregierung solle die Verlängerung der Laufzeiten sofort zurücknehmen. (dapd)