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Mit einem Tempo von sechs bis acht Kilometern pro Sekunde liefen die Erdbebenwellen auf Japan zu. Es dauerte etwa 20 Sekunden, bis sie das Festland erreichten. Die Oberflächenwellen sind zwar etwas langsamer, doch sie bringen die Zerstörung. Sie laufen über die Erdkruste wie Wellen auf dem Wasser. 90 Sekunden benötigten sie vom Epizentrum bis zum Festland, erklärt Thomas Plenefisch, Seismologe bei der Bundesanstalt für Geowissenschaften. Der Tsunami folgte wenige Minuten später.
Es blieben also nur einige Sekunden Zeit, um die Menschen zu warnen, Züge zu stoppen und Gasleitungen zu schließen. Zu knapp für rettende Vorsorgemaßnahmen oder gar Evakuierungen, lang genug, um vielleicht noch einiges zu verhindern. Denn trotz aller Forschungen: Eine gesicherte Erdbebenvorhersage gibt es bislang nicht, nur statistische Wahrscheinlichkeiten.
„Japan liegt am Rande des Feuerrings, der entlang der Küsten des Pazifischen Ozeans verläuft“, sagt Plenefisch. Nirgendwo ist die Erde unruhiger. Etwa die Hälfte aller aktiven Vulkane verteilen sich entlang dieses Gürtels. Unter Japan kollidieren zwei mächtige Erdplatten. Mit 8,3 Zentimetern pro Jahr driftet die Pazifische Platte nach Westen, schiebt sich unter die Euroasiatische Platte und taucht ins Erdinnere ab. Dabei bauen sich an den Plattenrändern ungeheure Spannungen auf, die sich mit einem Ruck entladen. Wann und wo das passiert, kann niemand vorhersagen.
Überraschung der Experten
Erst am Mittwoch wurde in Japan ein Erdstoß der Stärke 7,2 registriert. Normalerweise folgen auf einen solch heftigen Ruck schwächere Nachbeben. „Man hatte gehofft, dass sich die Spannung dadurch bereits abgebaut hatte“, sagt der Seismologe. Diesmal jedoch war es zur Überraschung der Experten anders, es war nur der Bote für die große Katastrophe.
Zwei Faktoren verstärkten die verheerende Wirkung: „Das Zentrum lag in 15 bis 25 Kilometern Tiefe, das ist relativ nahe an der Oberfläche“, sagt Ingo Wölbern, Geophysiker an der Universität Frankfurt. Zudem bestehe der Untergrund aus dicken Sedimentschichten, so konnten sich die Schwingungen aufschaukeln.
Viele Megastädte wurden ausgerechnet an Plattengrenzen errichtet, Tokio, Mexico City, Los Angeles, San Francisco und auch Istanbul liegen in solchen Zonen. „Istanbul ist hoch gefährdet“, sagt Plenefisch. Entlang der „Nordanatolischen Verwerfung“ rückten die Beben in der Vergangenheit immer näher auf die Stadt zu. „Es kann in zehn oder in 100 Jahren passieren“, sagt der Seismologe. „Doch es wird kommen.“