Essen. . Von Neuwahlen will die FDP in NRW nichts wissen, von einer Ampelkoaltion mit SPD und Grünen auch nichts. Profilieren wollen sich die Liberalen trotzdem: Mit der Verbundschule und der Vorfahrt für Arbeitsplätze, sagt FDP-Landeschef Daniel Bahr im WAZ-Interview.
FDP-Landeschef Daniel Bahr über Neuwahlen, die Zusammenlegung von Haupt- und Realschulen und den Frust über den früheren Koalitionspartner CDU.
CDU und SPD wollen in NRW Neuwahlen. Freuen Sie sich darauf oder fühlen Sie sich in ihrer Oppositionsrolle noch nicht reif genug dafür?
Bahr: Bei Neuwahlen werden die Karten immer neu gemischt. In Hamburg zeigte sich: Während sich die Grünen im Vergleich zu den Umfragen halbiert haben hat sich die FDP unerwartet verdoppelt. Wir sollten zunächst in Ruhe die Entscheidung des Verfassungsgerichts abwarten, erst danach entscheidet es sich.
Der Parteichef der NRW-CDU, Norbert Röttgen, drückt aber aufs Tempo und tritt vehement für Neuwahlen ein – gleichgültig, wie sich die SPD dazu verhält.
Wir scheuen Neuwahlen grundsätzlich nicht, aber die aktuelle Diskussion lenkt vom eigentlichen Problem ab. Nicht die fehlende Mehrheit ist das Problem, sondern die falsche Politik der rot-grünen Landesregierung.
„Hannelore Kraft kommt symptathisch rüber“
Immerhin ist der Respekt gegenüber Hannelore Kraft immens gewachsen.
Hannelore Kraft kommt sympathisch rüber. Aber der Regierung fehlen eine Strategie und ein überzeugendes Konzept. Objektiv ist Rot-Grün von der Rolle. Dass Kraft trotz Aufschwung und steuerlicher Mehreinnahmen an der Rekordverschuldung festhält, ist Realitätsverweigerung.
Der baden-württembergische Landeschef Mappus wirft NRW vor, auf Kosten der Geberländer im Länderfinanzausgleich Studien- und Kitagebühren abzuschaffen.
Die Politik der rot-grünen Landesregierung sorgt zu Recht für Unmut in allen anderen Bundesländern, auch den SPD-geführten. Während andere Länder die Verschuldung senken, erhöht Rot-Grün in NRW als einziges Land die Verschuldung. Auch in Teilen der NRW-SPD wird der Verschuldungskurs nicht verstanden.
In der Tat zerfällt die NRW-SPD in zwei Parteien. Wie nehmen Sie das wahr?
Die SPD hatte eine große Tradition unter Rau, Clement und Steinbrück, etwas für Wirtschaft und Arbeitsplätze zu tun. Dagegen lässt sich die SPD unter Frau Kraft von den Grünen fremdbestimmen. Kraft spricht die Arbeitnehmer in NRW nicht mehr an.
Immerhin hat Frau Kraft Visionen. Mit der Rekordverschuldung setzt sie auf die Zukunft. Was ist Ihre Idee?
Schulden sind eine Hypothek auf die Zukunft und keine Vision. Das ist eine Politik wie in Griechenland.
Nochmal: Wenn Sie die Kraft-Politik ablehnen: Wo ist Ihre Vorwärts-Strategie?
Alles, was Arbeitsplätze schafft, ist ein Fortschritt. Wir setzen auf Vorfahrt für Arbeit. Die FDP ist die Arbeitsplatzpartei.
Damit setzen Sie auf das klassische SPD-Klientel, die Arbeiter.
Deren Interessen werden ja auch in der gespaltenen NRW-SPD nicht mehr so vertreten, wie es die Arbeitnehmer verdient haben.
Dann wäre es doch an der Zeit, der SPD ein klares Angebot für eine Ampel-Koaltion zu machen. Oder ist die FDP in dieser Frage ebenfalls eher eine gespaltene Partei?
„Uns geht es nicht um Ministerposten“
Die Zeiten des gefühlten Gegeneinanders sind vorbei. Gemeinsam mit FDP-Fraktionschef Gerhard Papke verfolge ich eine klare Haltung. NRW braucht einen Kurswechsel in den öffentlichen Finanzen, der Wirtschafts- und Schulpolitik. Dazu scheinen SPD und Grüne nicht bereit.
Immerhin würden sie von einer kleinen Oppositionspartei zu einem Koalitionspartner aufsteigen.
Uns geht es nicht um Ministerposten. Voraussetzung wären inhaltliche Gemeinsamkeiten. Mit einer wirtschaftsfreundlichen SPD, wie sie sich in Hamburg aufgestellt hat, könnte ich mir das vorstellen. Wichtig in einer Koalition sind eine inhaltliche Basis und Verlässlichkeit der Partner untereinander. In Berlin hatten wir zu häufig erlebt, wie schwer es ist, wenn man sich nicht auf gemeinsame Vereinbarungen verlassen kann. Das ist jetzt endlich besser geworden.
Wie ist Ihr Verhältnis zur NRW-CDU?
Bahr: Die CDU hat in NRW mit einer schwarz-grünen Koalition kokettiert, das ist grandios gescheitert. Außerdem haben wir als damaliger Koalitionspartner die CDU immer wieder gedrängt: Bewegt euch in der Schulpolitik! Das sture Festhalten der CDU an bisherigen Strukturen entspricht nicht dem Elternwillen. Die jetzige zaghafte Öffnung der CDU enttäuscht und bleibt weit hinter dem Erforderlichen zurück. Die CDU muss mutiger werden.
Wenn Sie die CDU-Schulpolitik kritisieren, müssten Sie doch eigentlich die von der rot-grün geförderten Verbundschulen unterstützen.
Mit der FDP wird es keine Einheitsschulen geben. Wir stehen für ein differenziertes Schulangebot, das den individuellen Bedürfnissen der Kinder am besten gerecht wird.
„Auf dem Land gibt es noch funktionierende Hauptschulen“
Brauchen wir noch die Hauptschulen?
Auf dem Land gibt es durchaus noch funktionierende Hauptschulen. Aber überall dort, wo Haupt- und Realschulen nicht mehr alleine zukunftsfähig sind, bieten wir mit der regionalen Mittelschule eine gute Alternative an.
Sie halten also ebenso wie die CDU an den Hauptschulen fest?
Nein, wir halten nicht stur daran fest, wenn die Eltern etwas anderes wollen. Entscheidend ist die Situation vor Ort.
Anders als Rot-Grün setzen Sie sich für Verbundschulen ohne Oberstufe ein. Warum soll man an diesen Schulen kein Abitur machen können?
Kraft und Löhrmann wollen solche Gesamtschulen besser fördern und damit durchsetzen. Das ist ein Angriff aufs Gymnasium. Das werden wir nicht mitmachen. Wir haben keine Einheitskinder und brauchen daher eine Schulvielfalt, die die Kinder und ihre Begabungen am besten fördert.
Würden Sie sich noch mal für die Einführung der Studiengebühren einsetzen?
Die Abschaffung der Studienbeiträge verschlechtert die Situation für die Studierenden spürbar. Unser Modell war ein soziales Modell. Künftig wird wieder die Krankenschwester mit ihren Steuern die Ausbildung von Chefärzten unterstützen.