Den Haag. . Der libysche Staatschef Muammar el Gaddafi ist ins Visier der Ankläger des Internationalen Strafgerichtshofs geraten. Der Vorwurf lautet auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Auch die Söhne Gaddafis stehen unter Tatverdacht.
Wegen des brutalen Vorgehens gegen die Opposition hat der Ankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) Ermittlungen gegen Libyens Machthaber Muammar el Gaddafi eingeleitet. Er ermittle wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, sagte Chefankläger Luis Moreno-Ocampo am Donnerstag. Im Visier der Ermittler sind auch Söhne Gaddafis und ranghohe Vertreter Libyens, die „Befehlsgewalt über die Sicherheitskräfte“ haben.
„Das Büro des Chefanklägers hat heute entschieden, Ermittlungen wegen mutmaßlicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit einzuleiten, die seit dem 15. Februar begangen wurden“, sagte Moreno-Ocampo in Den Haag. Diese beträfen „Gaddafi, seinen inneren Kreis, darunter einige seiner Söhne“. Betroffen seien etwa auch der Außenminister des Landes, der Chef des militärischen Sicherheitsdienstes und der nationale Sicherheitschef sowie der Chef der persönlichen Sicherheit Gaddafis und der Regierungssprecher. Moreno-Ocampo nannte aber keine Namen.
„Staatsführer müssen verstehen, dass sie keine Immunität genießen“
Der UN-Sicherheitsrat hatte den Strafgerichtshof am Samstag beauftragt, wegen der gewaltsamen Unterdrückung der Proteste durch die Sicherheitskräfte von Gaddafi zu ermitteln. In dem Land gibt es seit Wochen regierungskritische Proteste, gegen die Gaddafis Truppen mit brutaler Gewalt vorgehen.
„Wenn die Truppen, über die sie das Kommando haben, Verbrechen begehen, können sie auch strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden“, sagte Moreno-Ocampo in Den Haag in Anspielung auf diejenigen, gegen die sich die Ermittlungen richten. In den kommenden Wochen werde das Büro des Anklägers ermitteln, „wer für die schlimmsten Verbrechen in Libyen verantwortlich ist“ und das Material den Richtern am IStGH übergeben. Es sei dann Sache der Richter, zu entscheiden, ob Haftbefehle erlassen würden.
Der spanischen Zeitung „El País“ vom Donnerstag hatte er zuvor gesagt, in Libyen würden weiterhin „sehr schlimme Verbrechen“ begangen. „Staatsführer, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit begehen, müssen verstehen, dass sie keine Immunität genießen“, sagte Moreno-Ocampo der Zeitung in Anspielung auf Gaddafi.
Bislang mindestens 6000 Tote
Bei den Protesten, die von Gaddafi und seiner Gefolgschaft wiederholt dementiert wurden, gab es laut der libyschen Menschenrechtsliga bislang mindestens 6000 Tote. Laut dem UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) flohen mehr als 150.000 Menschen aus dem nordafrikanischen Land.
Die Ölproduktion in Libyen ist unterdessen wegen der Unruhen im Land auf die Hälfte gefallen. Das sagte am Donnerstag der Chef der staatlichen libyschen Ölgesellschaft NOC, Schukri Ghanem, der Nachrichtenagentur AFP. Die ausländischen Angestellten hätten das Land verlassen, weil sie sich nicht mehr sicher gefühlt hätten. Die Mehrheit der ausländischen Arbeitskräfte seien Techniker gewesen, und das habe zu einer geringeren Produktion geführt.
Hilfe für die Flüchtlinge aufgestockt
Der Aufstand gegen den libyschen Machthaber Muammar el Gaddafi hatte Mitte Februar begonnen. Im Osten des Landes, wo sich auch die größten Ölfelder befinden, hat die Opposition die Macht übernommen. EU-Energiekommissar Günther Oettinger hatte vor kurzem gesagt, Gaddafi habe offenbar die Kontrolle über die meisten Öl- und Gasfelder des Landes verloren. Engpässe bei Öl und Gas muss die EU nach Oettingers Worten durch die Geschehnisse in Libyen aber nicht befürchten. Die Importe von dort seien „nicht herausragend“.
Um den vielen Flüchtlingen zu helfen, hat die internationale Gemeinschaft ihre Hilfen erneut ausgeweitet. Die EU gab am Donnerstag 30 Millionen Euro Soforthilfe, Frankreich wollte nach Angaben des Außenministeriums mehr als 1000 Ägypter von Tunesien in ihre Heimat fliegen. Deutschland entsandte Außenminister Guido Westerwelle (FDP) zufolge drei Marineschiffe, die etwa 500 Flüchtlinge transportieren können. (afp)