Berlin. . So schnell der Aufstieg, so jäh das Ende: Die Geschichte des Barons ist selbst im schnellebigen Politikbetrieb außergewöhnlich.
Vom Zauberer zum Entzauberten in zwei Jahren. Donnerwetter. Der politische Werdegang des Karl-Theodor zu Guttenberg, der gestern ein jähes Ende nahm, ist selbst auf dem schnelllebigen Berliner Parkett ein Sonderfall.
Als der Freiherr aus Franken am 10. Februar 2009 die Nachfolge des amtsmüden Michel Glos als Bundeswirtschaftsminister antrat, konnte noch niemand ahnen, welche Kräfte er freisetzen würde. In Windeseile erklomm der zweifache Familienvater die Leiter zum beliebtesten Politiker der Republik. Bei der Bundestagswahl im Herbst 2009 fuhr er, aus dem Nichts kommend, für die CSU das bundesweit mit Abstand beste Erststimmen-Ergebnis ein: 68,1 Prozent. Die politische Kundschaft verhielt sich zu dem Spross eines 800 Jahre alten Geschlechts oberfränkischer Großgrundbesitzer wie ein in der Wüste Verdurstender zu einer unverhofft gefundenen Wasserflasche. Er gab den Anti-Politiker, der aus der grauen Herde herausragt.
Sein Erweckungserlebnis war die legendäre Opel-Nacht im Mai 2009. Als im Kanzleramt stundenlang um milliardenschwere Staatshilfen für den von der Pleite bedrohten Autobauer gefeilscht wurde, winkte der frisch ins Amt gekommene Wirtschaftsminister vor den Fernsehkameras mit Rücktritt. Seither haftet ihm das Image des mutigen Querdenkers an, der sich nicht verbiegen lässt.
Ein rhetorisches Talent, geschliffenes Englisch, beste Manieren, ein makelloses Äußeres, Millionen auf dem Konto und seine Gattin Stephanie boten der Boulevardpresse, was sie so lange gesucht hatte: ein Paar mit Glamour-Potenzial. „KT“ wirkte durch seine allgegenwärtige Präsenz wie ein ewiger Bestandteil des Berliner Politikstadls.
Zeit zu wirken als Minister fürs Ökonomische hatte er nicht. Franz Josef Jung, ein Christdemokrat, verspielte in der Kundus-Affäre der Bundeswehr in Afghanistan jeden Kredit. Ein neuer Minister für Verteidigung musste im Herbst 2009 her. Guttenberg griff zu. Er, der seinen Wehrdienst bei den Mittenwalder Gebirgsjägern absolviert hatte und eine höhere Offizierslaufbahn ausschlug, weil die unteren Ränge mehr Kameradschaft versprachen, wurde in widriger Zeit Chef von 250 000 Soldaten.
Ein Job, aus dem Guttenberg, fotografisch jedenfalls, so viel herausholte wie keiner seiner Vorgänger. Seine regelmäßigen Visiten an der afghanischen Front, meist im Tarnfleck und mit dunkler Sonnenbrille, haben nicht nur seinen Ruf in der Truppe gemehrt. Sondern auch das Bild des Krieges in der Heimat geprägt.
Fehler, die ihm in dieser Zeit unterliefen, verschwanden schnell aus seiner Vita. Pannen machten ihn, getragen vor allem von den Organen des Springer-Verlages, nur noch stärker. Guttenbergs Griff zu den nächsten Früchten – das Amt des CSU-Parteichefs und, natürlich, früher oder später die Kanzlerkandidatur, schien nur eine Frage der Zeit.
Dann stellte sich der Zufall in die schon als unabänderlich geltende Abfolge. Eine Zeitung hatte ermittelt, dass es in der Doktorarbeit des Barons nicht mit rechten Dingen zugeht: Er soll massenhaft abgekupfert haben. „Abstrus“ lautete seine erste Reaktion. Sie ist keine 14 Tage her. Später räumte er vereinzelte Fehler ein, gab zurück, was er gar nicht zurückgeben konnte, den mit der Bestnote „summa cum laude“ dekorierten Doktortitel und stimmte im Bundestag ein „Mea Culpa“ an. So als wäre nichts gewesen.
So als könne man ihm doch einfach mal abnehmen, dass er die Raubkopiererei in seiner Promotion ohne jede böse Absicht begangen hat.
Dann kam der Aufschrei der Wissenschaft, die sich in ihren Grundfesten erschüttert sah. Der Druck wurde größer. Der Druck, sich zu offenbaren. Zu erklären. Karl-Theodor hat sich gestern weder offenbart. Noch hat er erklärt, wie es zu dieser Promotion kommen konnte. Er ist gegangen, weil ihn ernsthaft niemand halten wollte. Die Lichtgestalt der deutschen Politik. Jetzt ist sie erloschen.