Paris. . Die Internetseite von Nicolas Sarkozy wurde offenbar aufpoliert. Denn Bilder, die den lächelnden Staatschef mit dem libyschen Diktator Muammar al-Gaddafi zeigen, sind gelöscht. Der Eingriff soll die schlimmsten außenpolitischen Sünden des französischen Präsidenten übertünchen.

In aller Stille haben die PR-Spezialisten des Elysée die Internetseite des Staatschefs offenbar aufpoliert. Denn Bilder, die den lächelnden Hausherrn mit dem grinsenden libyschen Diktator Muammar al-Gaddafi auf der Treppe des Palastes zeigen, sind gelöscht. Es ist ein krampfhafter kosmetischer Eingriff, der offenbar eine der schlimmsten außenpolitischen Sünden des französischen Präsidenten übertünchen soll.

Dezember 2007: Der rehabilitierte „Revolutionsführer“, einst Drahtzieher des internationalen Terrorismus, triumphiert, als Nicolas Sarkozy ihm im in Paris einen roten Teppich im xxl-Format ausrollt. Mit 100 Luxuskarossen, darunter eine schneeweiße Mercedes-Stretchlimousine für ihn selbst, seinen Amazonen, der weiblichen Leibgarde, und hunderten Gefolgsleuten schlägt Gaddafi damals in der französischen Hauptstadt auf. Er residiert im „Ritz“ und in einem Beduinenzelt, das er direkt neben dem Elysée aufschlägt.

„Dem Terrorismus definitiv abgeschworen“

Es hagelt Kritik von EU-Partnern wegen des Exports von Atomtechnologie, und daheim schäumt nicht nur die Opposition vor Wut. Außenminister Bernard Kouchner, einen Sozialisten, treibt die surreale Gaddafi-Visite die Schamesröte ins Gesicht. Und Rama Yade, Staatssekretärin für Menschenrechte, schimpft: „Unser Land ist keine Fußmatte, auf der Gaddafi seine Füße vom Blut seiner Verbrechen säubert.

Nicolas Sarkozy hingegen genießt klammheimlich den diplomatischen Coup. Aus gutem Grunde: Denn Libyens Staatschef verspricht der französischen Industrie Milliardenaufträge. Er bestellt 21 Airbus-Jets, Rüstungsgüter und einen Atomreaktor, der Energie zur Meerwasserentsalzung liefern sollte. Nicolas Sarkozy dankt es dem einstmals Geächteten mit blumigen Sätzen wie diesen: „Frankreich grüßt einen Staatschef, der seine Waffenbestände unter internationale Kontrolle gestellt hat und dem Terrorismus definitiv abgeschworen hat.“

Angriffe auf libysches Volk mit frnzösischen Mirage-F1-Jets?

Heute, im Februar 2011, da der Diktator seine Waffen gegen das eigene, unbewaffnete Volk richtet, klingt diese Verneigung peinlich und zynisch zugleich. Prompt fragt Frankreichs Grünen-Chefin Cécile Duflot besorgt, ob Gaddafi sein mörderisches Handwerk gar mit Mirage-F1-Jets und Kampfhubschraubern französischer Herkunft erledigt. Eine unerträgliche Vorstellung - besonders in einem Land wie Frankreich, das der Welt die „Erklärung der Menschenrechte“ einst als universelles Geschenk vermachte.

Sarkozys Außenpolitik steht am Pranger. Die Zeitung „Le Monde“ veröffentlicht am Mittwoch einen Gastbeitrag, in dem ein anonymer Kreis hochkarätiger Diplomaten ein vernichtendes Urteil fällt. Frankreichs Außenpolitik sei „amateurhaft, impulsiv und nur darauf bedacht, eine kurzfristige Wirkung in den Medien zu erzielen“. Dass die inzwischen gestürzten Ben Ali und Mubarak zu „Südpfeilern am Mittelmeer“ erklärt wurden, sei allein das Werk des Präsidenten und seiner Berater. Hätte Paris auf die Warnungen seiner Botschaft gehört, so die grimmige Analyse, „hätten viele Fehler vermieden werden können“. Die Diplomaten ziehen ein enttäuschendes Resümée: „Die Stimme Frankreichs in der Welt ist verschwunden.“

Peinliche Fauxpas

Während die Menschen in Tunesien, Ägypten und nun in Libyen dabei sind, nach jahrzehntelanger Unterdrückung und Ausbeutung die Ketten zu sprengen, navigiert Frankreichs Diplomatie ohne Kompass. Hinzu kommen peinliche Fauxpas, wie etwa die „Lustreise“ von Außenministerin Michèle Alliot-Marie in Tunesien auf Kosten des Ben-Ali-Clans und der Ägypten-Urlaub von Premier François Fillon an Bord eines Mubarak-Jets.

Wohl um Handlungsfähigkeit zu beweisen, entschließt sich Steuermann Nicolas Sarkozy am Mittwoch demonstrativ zu einem rasanten 180-Grad-Wendemanöver in Sachen Libyen. Er ruft die Europäische Union zu raschen Sanktionen auf und verlangt, den libyschen Machthabern die Einreise in die EU zu verweigern. Ferner regt er an, die „Wirtschafts-, Handels- und Finanzbeziehungen mit Libyen auszusetzen“.