Tripolis/Madrid. .

„Libyen muss sich öffnen und demokratisch werden.“ Mit solchen Sprüchen hatte sich Saif al-Islam, der zweitälteste Sohn des libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi (68), lange Zeit als Reformer empfohlen. Nachdem ihn der Patriarch nun, auf dem Höhepunkt des Aufstandes, mit einer Brandrede vor die Kameras schickte, dürfte dieses Image ruiniert sein. Der Gaddafi-Sprössling faselte im Staats-TV von einer „Verschwörung gegen Libyen“ und drohte dem rebellierenden Volk mit einem Krieg „bis zur letzten Kugel“.

Sein Vater, der nie das Image des Schurken abschütteln konnte, hatte seinen gebildeten Sohnemann immer wieder in Krisen genutzt, um die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Um auf internationalem Parkett das Bild eines sich wandelnden, modernen Staates zu nähren. Saif al-Islam, was so viel wie „Schwert des Islam“ heißt, galt als das Gesicht des „neuen Libyens“. Er war Gaddafis außenpolitischer Arm, der den heiklen Auftrag hatte, den vom Westen geächteten Staat wieder international hoffähig zu machen.

Wegen seiner guten Manieren und Dialogfähigkeit wurde er sogar als Nachfolger des Vaters gehandelt. Zumal der 38-jährige studierte Architekt und Ökonom immer wieder zeigen durfte, dass er auf den Westen zuzugehen weiß. Saif al-Islam studierte auch in Wien und spricht gut Deutsch.

Partys mit Alkohol

Immer wieder tat er sich als Vermittler hervor: Zur diskreten Bewältigung schwieriger Missionen diente ihm die Gaddafi-Stiftung. Diese „Wohltätigkeits-Organisation“ diente dem Sohn dazu, den Vater von seiner Vergangenheit als „Staatsterrorist“ reinzuwaschen. Über die Stiftung zahlte Gaddafi millionenschwere Entschädigungen an den Westen. Etwa für das Attentat auf die Berliner Diskothek „La Belle“ 1986 oder auf eine US-Verkehrsmaschine über dem schottischen Lockerbie 1988.

Saifs sieben Geschwister, sechs Brüder und eine Schwester, gehören ebenfalls zu Gaddafis Machtsystem; mehrere sind vor allem durch Skandale aufgefallen: „Gaddafis Söhne geben Millionen von Dollar aus für Partys mit nackten Frauen, während sie Alkohol trinken, und unser Volk lebt in Angst“, untertitelten Regimegegner ein YouTube-Video über den Gaddafi-Clan.

Der älteste Gaddafi-Spross Mohamed ist Chef des Nationalen Olympischen Komitees und kontrolliert Libyens Telekommunikationsbranche. Der zweite ist Saif al-Islam. Der drittälteste al-Saadi fiel vor allem als Fußball-Profispieler und Filmproduzent auf. Der vierte im Bund, Mutasim Billah, steuert als Chef des nationalen Sicherheitsrates die blutige Niederschlagung des Aufstandes.

Prügelei im Hotel

Der fünfte ist Hannibal, der 2008 die Krise zwischen Libyen und der Schweiz provozierte, weil er in einem Genfer Hotel Bedienstete verprügel­te und daraufhin festgenommen worden war. Dann kommt Khamis, Chef jener Elite-Militärtruppen, die mit äußerster Brutalität gegen die Aufständischen vorgehen.

Und schließlich Saif al-Arab, der in München studierte und gegen den in Deutschland wegen Waffenschmuggels ermittelt wurde. Die Gaddafi-Tochter Aischa ist Anwältin und machte vor allem dadurch Schlagzeilen, dass sie eine der Strafverteidigerinnen des irakischen Diktators Saddam Hussein war.