Essen/Kairo. . Auch am Freitag hat es wieder in mehreren Ländern der arabischen Welt Proteste gegeben. In Bahrain forderten Tausende den Rücktritt des Königs. In Libyen gingen die Ordnungskräfte brutal gegen Demonstranten vor.

Der Inselstaat Bahrain ist etwa so groß wie Hamburg und hat wenig mehr Einwohner als Dortmund. Strategisch gesehen ist dieses Miniatur-Königreich aber ein Riese, jedenfalls aus der Perspektive der USA. Und darum ist der Westen nun nervös.

Schiiten demonstrieren in der Hauptstadt Manama gegen König Hamad bin Issa al Chalifa. Am Donnerstag gab es fünf Tote und hunderte Verletzte, und gestern gingen wieder Tausende trotz Verbots auf die Straße. Sie gedachten der Opfer ihrer Revolte. Sie wollen eine andere Regierung. Aber was wird dann aus Bahrain, dem Partner am Golf, Heimat der 5. US-Marineflotte? Bahrain hilft den Amerikanern beim Kampf gegen den Terrorismus; Bahrain ist ein milliardenschweres Handels- und Finanzzentrum.

US-Außenministerin Hillary Clinton verurteilt die Gewalt und fordert demokratische Reformen. Spät hebt die Weltmacht mahnend den Zeigefinger. Bundespräsident Christian Wulff sagte eine für nächste Woche geplante Reise nach Bahrain ab: Erst müsse die Regierung dort die Versammlungs- und Meinungsfreiheit aller Bürger achten.

Dass in Bahrain die Demokratie nicht viel zählt, ist kein Geheimnis. Die Schiiten fühlen sich von der sunnitischen Minderheit, die in Politik und Wirtschaft den Ton angibt, unterdrückt. „Schiiten werden nicht an der Macht beteiligt, sie dürfen keine neuen Moscheen bauen, und sie dürfen nicht frei wählen“ erklärt Paul von Maltzahn von der Deutschen Gesellschaft für Politik.

Es wäre wohl übertrieben, von einem brutalen Regime zu sprechen. Bahrain ist nicht Libyen. Maltzahn, früher deutscher Botschafter in Bagdad, Teheran und Kairo, spricht von einer „milden Autokratie“ und einer „eher subtilen Form der Unterdrückung“.

Nicht alle Demonstranten sehen sich nach einer offenen demokratischen Gesellschaft. Sollte das sunnitische Establishment fallen, dann könnte es zu einem Zustand kommen, den der Westen fürchtet. „Der iranische Einfluss auf Bahrain und damit auf die Region könnte zunehmen. Iran hat Jahrhunderte lang Ansprüche auf die Inseln erhoben. Außerdem leben an der ölreichen Ostküste Saudi-Arabiens ebenfalls viele Schiiten. Auch dort grummelt es“, sagt von Maltzahn. Der Funke aus Bahrain könnte auf den Nachbarn Saudi-Arabien überspringen.

Muammar Gaddafi, der libysche Diktator, will offenbar um jeden Preis verhindern, dass die Revolution über seine Grenzen schwappt. Nach einem Blutbad der Polizei unter den Demonstranten hat sein Regime am Freitag der Opposition gedroht. „Die Antwort wird scharf und brutal sein“, verkündeten die Revolutionären Komitees, die als ideologisches Rückgrat des Regimes gelten.

Gaddafi selbst ließ sich am Freitagmorgen kurz auf dem Grünen Platz in der Hauptstadt Tripolis blicken, empfangen von jubelnden Anhängern. Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch (HRW) und Amnesty International (ai) beschuldigten die libyschen Ordnungskräfte, sofort und ohne Gnade geschossen zu haben.

Gewalt in ganz Libyen

Sie gehen von mindestens 24 Toten aus. Andere Quellen sprechen von 40 Toten. Inspiriert durch die Aufstände in Tunesien und Ägypten hatten Regimegegner am Donnerstag über Facebook zum „Tag des Zorns“ aufgerufen. So sollen allein in der Großstadt Benghazi 14 Menschen gestorben sein. In der Küstenstadt Al-Baida sind laut HRW mindestens 16 Demonstranten durch Polizeikugeln gestorben. Nach Informationen der BBC weigerten sich Behörden, die Krankenhäuser mit Medikamenten und Blut zu versorgen.

„Die rücksichtslosen Angriffe auf friedliche Demonstranten offenbaren das brutale Wesen des Regimes von Gaddafi, wenn es mit interner Kritik konfrontiert ist“, erklärte Sarah Leah Whitson, bei HRW zuständig für den Nahen Osten und Nordafrika. In Benghazi gingen die Proteste gestern weiter, als die ersten Opfer beerdigt wurden. In der nahe der Grenze zu Ägypten gelegenen Stadt Tobruk rissen Demonstranten ein Denkmal für das von Gaddafi verfasste „Grüne Buch“ nieder.

Unterdessen entsandte der Beduinenoberst am Freitag seinen Sohn Al-Saadi al-Gaddafi nach Benghazi. Wie die Zeitung „Al-Watan“ meldete, will der 37-jährige Ex-Fußballprofi in der Unruhestadt einen Aktionsplan zur Verbesserung der Infrastruktur umsetzen. Mit seinem als reformoffen geltenden Sohn Saif al-Islam hat sich der Potentat in den letzten Monaten überworfen.