Düsseldorf. Es passiert täglich: Sanitäter und Notärzte rücken aus, um Leben zu retten – und werden im Einsatz selbst Opfer von Gewalt. Vor allem Angreifer unter Alkoholeinfluss beleidigen und attackieren die Lebensretter. Nun wollen sie sich wehren.

„Feuerwehrleute mit Feuerwerk angegriffen“, „Rettungshubschrauber mit Laserpointer attackiert“, „Randale im Rettungswagen“ - die Schlagzeilen über den gefährlichen Alltag von Rettungskräften häufen sich. Stefan Lührs, Ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes im Kreis Steinfurt, weiß von „gewissen Gegenden, in denen Rettungsdienste nur noch mit Polizeibegleitung anrücken“. Häufig gehören Schlagringe und Pfefferspray zur Grundausstattung der Helfer. Auch Kurse zur Selbstverteidigung werden im Rettungsdienst zum Normalfall.

In einer Anhörung im Innenausschuss des Landtags bestätigte der Kölner Polizeipräsident Klaus Steffenhagen, dass die Hemmschwelle für Angriffe auf Helfer und Polizeibeamte sinkt. Allein in seiner Behörde hat sich die Zahl der Gewaltaktionen gegen Polizisten seit 2004 auf rund 700 Delikte im Jahr verdoppelt. „66 Prozent der Täter waren alkoholisiert, 70 Prozent polizeilich bekannt.“ In den letzten Jahren mussten 329 Polizisten wegen Angriffen vorübergehend dienstunfähig geschrieben werden. „Auslöser war oft nur eine einfache Identitätsfeststellung“, klagt Steffenhagen. Erst kürzlich waren zwei Polizisten von 20 Mitgliedern der „Wilden Horden“ nach dem Fußballspiel des 1.FC Köln gegen Bayern München verletzt worden.

„Mitleid und Reue sind Fremdworte“

Strafverteidiger Georg Schulze rechnet vor, dass 2008 bundesweit bereits mehr als 28.800 „Widerstandshandlungen“ gegen Polizisten registriert wurden. Erich Rettinghaus, Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), sieht eine neue Dimension im Verhalten der Täter. „Mitleid oder Reue sind Fremdworte. Schon die bloße Anwesenheit von Polizeibeamten kann als Auslöser dienen.“

Weil auch Rettungsdienste zunehmend ins Visier von Schlägern geraten, arbeitet die Universität Bochum derzeit an einer Studie über das Ausmaß der Gewalt gegen Helfer. Ende des Jahres soll die Analyse vorliegen. Michael Alex, vom Kriminologischen Lehrstuhl in Bochum warnt aber vor der Illusion, dass härtere Strafen das Phänomen stoppen können.

Höhere Strafen für die Attackierer gefordert

„Höhere Gewaltandrohung schreckt nicht ab.“ Das sieht Kölns Polizeipräsident anders: Steffenhagen fordert zur Abschreckung eine Mindeststrafe bei Widerstand gegen Polizeibeamte und beklagt das Vollzugsdefizit in der Justiz, „Beleidigungen und leichte Körperverletzungen von Polizisten stellt die Staatsanwaltschaft häufig ein.“

Der Bundesrat drängt auf eine Anhebung der Höchststrafe bei tätlichen Angriffen auf Amtsträger von zwei auf drei Jahre. Ortwin Bickhove-Swiderski, Fachgruppenleiter Feuerwehr der Gewerkschaft Verdi, reicht das nach den zunehmenden Angriffen auf Rettungsdienste nicht aus. „Es wäre sinnvoll, die Feuerwehrleute einzubeziehen.“

Im Internet hat der FDP-Innenexperte Horst Engel eine neue Perversion des Widerstands von Chaoten gegen die Polizei entdeckt. Da geben Autonome Hinweise: „Wie verletze ich einen Polizisten?“