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Julian Draxler ist ein Vorbild für viele Jungen im Ruhrgebiet – so oder so. Mit 17 Jahren hat der Schalker Jungprofi eine glänzende Zukunft vor sich. Aber soll er dafür seinen Schulabschluss sausen lassen? Der Rektor der Uni Duisburg-Essen, Ulrich Radtke, meint: nein! Und schrieb dem Schalker Trainer Felix Magath einen Brief.

Es klingt wie ein Traum: Karriere machen, Fußballstar werden, Geld verdienen – Schule schmeißen. Eine Weltkarriere wird ihm vorausgesagt, und zwar von seinem Trainer Felix Magath. Der schaute in die Glaskugel und sah: „Julian braucht kein Abitur. Er wird in den nächsten 20 Jahren in Topligen spielen.“ Daraufhin hat das junge Fußballtalent das Heisenberg-Gymnasium in Gladbeck nach der elften Klasse zunächst verlassen.

Schlechtes Vorbild

Ein schlechtes Vorbild, findet Prof. Ulrich Radtke, Rektor der Universität Duisburg-Essen. Damit meint er nicht die fußballerischen Fähigkeiten des 17-Jährigen, sondern die Idee, für die Karriere die Bildung und damit Zukunftswege abseits des Balls zu opfern. „Mir ist die Hutschnur gerissen“, sagt Radtke, als er von dem Rat Magaths hörte.

Und er schrieb dem Trainer einen Brief: „Sehr geehrter Herr Magath, können Sie es wirklich verantworten, jungen Fußballspielern zu raten, auf eine abgeschlossene (Hoch-) Schulbildung zu verzichten, weil man als Fußballprofi ausreichend Geld verdient? Dies ist ein völlig falsches Signal – nicht nur an den Kickernachwuchs. Als Rektor einer der größten Universitäten des Landes ärgert es mich kolossal, dass Sie damit möglicherweise vielversprechende Bildungskarrieren verhindern.“

Kritik von Sammer und Co

Magaths Aktion hatte zuvor schon kritische Stimmen provoziert. DFB-Sportdirektor Matthias Sammer forderte Draxler auf, das Abitur zu machen. Günter Netzer warnte, es gebe keine Garantie für eine sportliche Karriere. Und die Vereinigung der Vertragsfußballer (VdV) forderte Vorrang für die schulische und berufliche Ausbildung. 20 bis 25 Prozent der Spieler seien nach der Karriere pleite, sagte VdV-Geschäftsführer Ulf Baranowsky. „Deshalb raten wir: Keine teuren Autos, sondern lieber Bildung.“

Professor Radtke ist so aufgebracht, weil er weiß, dass Magaths Stimme Gewicht hat: „Er ist ein Vorbild. Wenn Magath etwas sagt, wird es gehört. Deshalb wollte ich seine Worte nicht unwidersprochen stehen lassen.“ Der Rat, die Schule zu schmeißen, stelle alle Bemühungen von Schulen und Universitäten – gerade auch des Ruhrgebiets – infrage, Bildungsaufsteigern eine echte Chance zu geben, schreibt Radtke dem Schalker Trainer.

Verpflichtung für die Jugend

Etwa diese: Die Uni Duisburg-Essen startete kürzlich das Förderprogramm „Chance hoch zwei“ für Jugendliche, die von ihrem Umfeld kaum Hilfe erwarten können. Ab der Klasse 9 werden sie bis zum Bachelor-Abschluss gezielt unterstützt. „Wir haben die Verpflichtung, Jugendlichen die bestmögliche Ausbildung zu bieten“, erklärt Radtke der WAZ. „Wenn man nun öffentlich den Rat gibt, das auszuschlagen, ist das gefährlich.“ Gerade im Ruhrgebiet mit seiner „schwierigen Bildungssituation“ müsse man sich besonders engagieren.

Julian Draxler wird indes die Schule so schnell nicht los, stellte das zuständige Ministerium klar. Die Schulpflicht gelte bis zur Volljährigkeit, die Mittlere Reife entbinde ihn davon nicht, da er bereits die Oberstufe begonnen habe. Draxler könnte nun die Gesamtschule „Berger Feld“ besuchen, heißt es, eine Kooperationsschule des Vereins. Radtke: „Mit ein bisschen Organisation, aber auch Disziplin ist beides zu verbinden: Kopf- und Beinarbeit.“

Des Rektors Brief komplett: www.derwesten.de/rektor