Tunis. . Seit einer Woche ist die Übergangsregierung in Tunesien im Amt. Die Lage in dem Land ist jedoch immer noch angespannt.
Auch eine Woche nach Bildung einer Übergangsregierung in Tunesien bekommt Ministerpräsident Mohammed Ghannouchi die Lage nicht unter Kontrolle. Tausende Demonstranten protestierten am Montag erneut vor Ghannouchis Amtssitz in Tunis. Die Grundschulen, an denen erstmals seit dem Sturz von Staatschef Zine el Abidine Ben Ali wieder unterrichtet werden sollte, blieben wegen eines Lehrer-Streiks weitgehend geschlossen.
Viele Demonstranten hatten einer nächtlichen Ausgangssperre getrotzt und im Regierungsviertel Zelte aufgebaut, wie ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichtete. Am Morgen setzten sie ihre Proteste fort und forderten in Sprechchören den Rücktritt der Übergangsregierung, in der Vertreter der alten Garde weiter Schlüsselpositionen einnehmen. Als Mitarbeiter Ghannouchis den Amtssitz verlassen wollten, kam es zu Auseinandersetzungen: Die Demonstranten warfen Flaschen und Steine, die Polizei setzte Tränengas ein und riegelte das Gelände mit Stacheldraht ab.
Hunderte Regierungsgegner waren alleine am Wochenende als Teil eines „Karawane der Freiheit“ genannten Protestzuges aus den armen Regionen Zentraltunesiens nach Tunis gekommen. Dort hatten vor einigen Wochen die Unruhen begonnen, in denen sich der Zorn der Bevölkerung über fehlende Freiheiten, Korruption und Arbeitslosigkeit entlud - und die am 14. Januar schließlich zur Flucht Ben Alis ins saudiarabische Exil führten.
Lehrer streiken
Die Übergangsregierung hat erste Reformen in Angriff genommen und will binnen sechs Monaten Wahlen organisieren. Einige tunesische Politiker befürchteten aber, dass das Land vorher im Chaos versinken könnte. Ex-Ministerpräsident Rachid Sfar mahnte in der Zeitung „La Presse“, dass der demokratische Prozess vorangetrieben, aber auch Anarchie verhindert werden müsse.
Am Montag sollte als Zeichen der Normalität wieder unterrichtet werden, doch an den Grundschulen legten nach Gewerkschaftsangaben mehr als 90 Prozent der Lehrer aus Protest gegen die Übergangsregierung die Arbeit nieder. Der Unterricht für die Abiturklassen wurde dagegen ohne größere Probleme aufgenommen. Alle anderen Schüler an weiterführenden Schulen sollen in den kommenden Tagen nach und nach in die Klassen zurückkehren.
Sarkozy gibt Fehler zu
Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy räumte ein, dass die ehemalige Kolonialmacht die Proteste in Tunesien falsch eingeschätzt habe. „Wenn man sich so nahe ist, hat man nicht immer den nötigen Abstand, um die Gefühle des anderen richtig zu verstehen“, sagte Sarkozy in Paris. Die französische Regierung hatte lange nicht auf die Unruhen reagiert. Erst nach der Flucht Ben Alis stellte sich Sarkozy hinter die Demonstranten.
Die Europäische Union erwägt nach Angaben aus informierten Kreisen in Brüssel eine Aufstockung ihrer Finanzhilfen für Tunesien. Derzeit seien für die Jahre 2011 bis 2013 rund 240 Millionen Euro Unterstützung für Entwicklung, Landwirtschaft, aber auch das Justizsystem und generell die Regierungsführung vorgesehen. (afp)