Brüssel. . In Südosteuropa blüht der Organhandel. Mittellose Bürger werden zum Verkauf einer Niere überredet. Den Spendern wurden bis zu 14.500 Euro versprochen. Die Empfänger zahlten ein Vielfaches - zwischen 80.000 und 100.000 Euro.

Der junge Türke, der in Pristina auf seinen Flug nach Istanbul wartet, sieht unwohl aus. Ein Flughafenpolizist wird aufmerksam und fragt “Alles in Ordnung?” die Antwort kommt stöhnend: “Nein - sie haben mir eine Niere rausgenommen. Ich fühle mich schlecht, ich muss ins Krankenhaus!” Die Polizisten alarmieren den Notarzt und lassen den jungen Kerl abtranportieren. Im Kranenhaus packt er aus – und enthüllt das bislang größte und schmutzigste Geschäft mit menschlichen Organen in Europa.

Zwei Wochen später verliest Chef-Ermittler Jonathan Ratel in einer Anhörung vor Gericht die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft zum Fall “Medicus” (Name der Privatklinik, in der die Operationen vorgenommen wurden): In rund 20 Fällen seien im Jahr 2008 Ausländer – mittellose Russen, Moldawier, Türken, Kasachen - mit Aussicht auf gute Bezahlung zum Verkauf einer Niere überredet worden. Den Spendern wurden Beträge bis zu 14.500 Euro versprochen. Die Empfänger – ältere, wohlhabende Bürger aus verschiedenen Ländern – zahlten ein Vielfaches - zwischen 80.000 uznd 100.000 Euro.

Die Hauptverdächtigen sind mehrere Kosovaren, ein Türke und ein Israeli

Da Gericht, das im Rahmen der EU-Mission Eulex die Akte “Medicus” bearbeitet, will bis zum 5. Februar Anklage erheben. Die Hauptverdächtigen sind mehrere Kosovaren, ein Türke und ein Israeli. Ihnen wird “Handel mit menschlichen Organen” und “illegale ärztliche Tätigkeit” vorgeworfen. Unter den Beschuldigten sind ein hochrangiger Vertreter des Gesundheitsministeriums in Pristina und mehrere Chirurgen eins Teams unter Leitung eines Doktors namens Lutfi D.. Sieben Kosovaren sitzen in Untersuchungshaft, ein türkischer Chirurg wurde in Istanbul festgenommen, ist aber gegen Kaution auf freiem Fuß.

Der Verkauf von Organen, im Unterschied zu unentgeltlichen Spenden, ist nach kosovarischem Recht verboten. Wie diese Zeitung aus Justizkreisen im Kosovo erfuhr, ließen die Organmakler ihre unglückseligen Lieferanten eine Erklärung unterschreiben, dass sie aus freien Stücke handelten und kein Geld erwarteten. Offenbar haben einige tatsächlich den versprochenen Lohn nie eerhalten.

Die frühere serbische Provinz Kosovo, selbstständig erst seit Anfang seit 2008, ist aus Sicht der Kriminellen als Tatort für den blutigen Schacher besonders geeignet: Unabhängig von Herkunft und Startort kann jedermann ohne Visum einreisen. Die Führung der großangelegten EU-Mission Eulex, die den Kosovaren beim Aufbau eines funktionierenden Rechtssystems helfen soll, nimmt den “Medicus”-Skandal sehr ernst. Er habe aber keinerlei Bezug zu angeblichen Geschäften mit zwangsweise entnommenen Organen, die während des Krieges vono 1999 stattgefunden haben sollen und in einem Bericht des Europarats aufgegriffen wurden.