Rom. Das breite Grinsen Silvio Berlusconis, das ihm so schnell nicht aus dem Gesicht weicht, ist in Italien zum Markenzeichen des Regierungschefs geworden. In letzter Zeit allerdings gefriert ihm bei so manchem Interview das Lächeln auf den Lippen.

Denn immer mehr Details über Sex-Orgien in seiner Villa in Arcore bei Mailand gelangen an die Öffentlichkeit. Grundlage dafür sind schriftliche Protokolle der Staatsanwaltschaft, die Telefonate der Berlusconi-Gespielinnen über Monate hinweg abhörte. Die Hauptvorwürfe: Amtsmissbrauch und Beihilfe zur Prostitution. Die Ermittler lassen klar durchblicken, dass sie Beweise für ihren Verdacht haben.

Wenig amüsant finden die Ge­schichten inzwischen nicht nur Oppositionspolitiker, die von einer „armseligen“ Vorstellung des Regierungschefs sprechen, sondern zu­nehmend auch Berlusconis Koalitionspartner. Sie fürchten um ihre Chancen bei möglichen Neuwahlen, die immer noch möglich sind.

„Schädlich und schockierend“

Auch der bei der Bevölkerung hoch ge­schätzte Staatspräsident Giorgio Napolitano mahnte nun, er wünsche sich, dass Berlusconi vor den Richtern die Lage kläre. Und zwar schnell.

Die katholische Kirche, bisher stets an der Seite Berlusconis, zeigt ebenfalls erste Absetzbewegungen vom Mi­nisterpräsidenten. Die einflussreiche katholische Tageszeitung „Avvenire“ rief Berlusconi in einem Leitartikel auf, reinen Tisch zu machen. „Allein die Vorstellung, dass die Institutionen an der Spitze des Staates in Prostitutionsgeschichten und schlimmer noch in Prostitution einer Minderjährigen verwickelt sind, ist schädlich und schockierend“, schrieb „Avvenire“.

Die Hauptfigur in diesem Stück, das nahezu jede ernsthafte politische Debatte im Lande verhindert, ist die jetzt 18-jährige Marokkanerin Ka­rima El Marough, die sich Ruby Rubacuori nennt , was so viel heißt wie „Ruby Herzensbrecherin“. Das Pikante an der Affäre: Die Staatsanwaltschaft ist sich sicher, genügend Beweise dafür zu haben, dass Ruby erst 17 Jahre alt war, als sie an den Sex-Partys teilnahm. Silvio Berlusconi habe von ihrer Minderjährigkeit gewusst, so die Ermittler.

Ruby Herzensbrecherin

Ruby, die in der letzten Zeit ständig in Interviews im italienischen Fernsehen zu sehen ist, verwickelte sich immer wieder in Widersprüche. „Er hat mich mit keinem Finger angefasst“, beschwor sie zu­nächst. Außerdem betonte sie, nie als Prostituierte gearbeitet zu haben. Allerdings soll es Dutzende von Telefonaten zwischen ihr und dem Premier gegeben haben, bei denen der 74-Jährige sie beschwor, nichts zu sagen und bereit war, viel Schweigegeld zu zahlen. Ruby soll fünf Millionen Euro gefordert haben. Geflossen sei das Geld aber nicht.

Aus den Protokollen der Staatsanwälte geht hervor, dass Berlusconi die zwei Dutzend Mädchen, die bei den Partys dabei waren, großzügig bedacht hat. Es gab Tüten mit 500-Euro-Scheinen, Schmuck und ein luxuriöses Dach über dem Kopf. Die hübschen jungen Mädchen, die sich meist im Showbusiness verdingt haben, soll in großem Stil Nicole Minetti beschafft haben, gegen ein großzügiges Honorar. Gegen sie ermittelt die Staatsanwaltschaft ebenfalls. Denn die Mittzwanzigerin, die plötzlich eine Blitzkarriere als Politikerin machte, wird ebenfalls der Förderung der Prostitution verdächtigt.

Sie war es auch, die im Mai zur Polizeiwache geschickt wurde, um Ruby, die von Carabinieri beim Klauen erwischt worden war, aus dem Polizeigewahrsam abzuholen. Kein Geringerer als Berlusconi selbst soll die Polizisten angewiesen haben, Ruby freizulassen. Begründung: Sie sei eine Nichte des ägyptischen Präsidenten Mubarak.