Essen. .

Papst Benedikt XVI. hat mit einer Rede erneut für Diskussionen gesorgt. Das Oberhaupt der katholischen Kirche prangerte die Sexualkunde in der Schule an. Er störe sich an dem Menschenbild, das dort vermittelt wird.

Das Recht aller Menschen auf Religionsfreiheit an jedem Ort der Welt war sein zentrales Anliegen. Er beklagte die Attentate auf Christen im Nahen Osten, die Verfolgung und gewalttätigen Übergriffe auf Christen in Pakistan, China oder Afrika. Allerdings hat er auch im Westen „andere Arten der Be­drohung der vollen Ausübung der Religionsfreiheit“ ausgemacht – gerade auch in Ländern, die „dem Pluralismus und der Toleranz“ große Be­deutung zumessen.

Eine Gefahr, die er benennt, ist „eine Art staatliches Monopol in Schulangelegenheiten“. Eine andere: Der „Angriff auf die religiöse Freiheit der Familien, wo die Teilnahme an Kursen der Sexualerziehung oder Bürgerkunde verpflichtend auf­erlegt wird, bei denen ein angeblich neutrales Bild des Menschen und des Lebens vermittelt wird, das aber in Wirklichkeit eine dem Glauben und der rechten Vernunft gegensätzliche Anthropologie wi­derspiegelt“.

Verbindliche Richtlinien

Ein Zitat zum ersten Schultag nach den Weihnachtsferi­en, das manche Eltern oder Bildungspolitiker im Land aufhorchen lässt. Gehört die Se­xualkunde doch schon in den Grundschulen zum Standard-Lernprogramm. 1974 hatte die Düsseldorfer Landesregierung erstmals „Richtlinien für die Sexualerziehung“ erlassen, zum 1. August 2000 traten er­weiterte Richtlinien in Kraft. Sie gelten bis heute nicht nur für alle staatlichen oder freien Schulen, sondern auch für die Ersatzschulen in katholischer oder evangelischer Trägerschaft.

Ob sich die Anmerkung des Papstes zur Sexualerziehung der Mädchen und Jungen auf die Situation in Deutschland be­zieht, vermochte Nina Schmedding, Sprecherin der Deutschen Bischofskonferenz in Bonn, spontan nicht be­urteilen. „Uns liegt die Übersetzung aus Rom bisher nicht vor“, erklärte sie auf Anfrage. Sie gehe aber davon aus, dass das Kirchenoberhaupt mit seinen Worten die Situation in Spanien meine. Dort hatte die sozialistische Regierung vor drei Jahren einen Lebenskunde-Kurs eingeführt, in dem auch Themen wie Homosexualität, Scheidung oder Abtreibung offen behandelt werden. Dies hatten viele Eltern als „anti-christlich“ verurteilt.

Pubertät, Liebe, Familienplanung

Auch für die katholischen Schulen im Ruhrgebiet ist der Unterrichtsstoff Sexualität of­fenbar keiner mehr, der für Aufregung sorgt. Das Marien-Gymnasium Essen hat ins In­ternet gestellt, was Jugendliche erwartet: Um „Veränderungen in der Pubertät, Ge­schlechtsverkehr, Bau und Funktion der Geschlechtsorgane, Empfängnis und -verhütung“ etwa geht es in Klasse sechs im Biologieunterricht, drei Jahre später wird die Thematik vertieft mit „Mensch und Partnerschaft, Familienplanung“ und mehr. Zeitgleich geht es dann im Religionsunterricht etwa um „Liebe ja — Ehe nein – Warum Christen sich trauen“ und um ernste Fragen zu Liebe und Partnerschaft.

„Das war für uns
nie ein Problem“

Ebenso unverkrampft werden auch die Schülerinnen der B.M.V.-Schule mit der Lebenswirklichkeit vertraut gemacht. „Sexualerziehung ist, wie vorgeschrieben, Teil der Lehrpläne, sie ist für uns auch nie ein Problem gewesen“, erklärt Schwester Ulrike, die Leiterin des katholischen Gymnasi­ums. „Natürlich ist es guter Stil, dass wir den Eltern der Mädchen in Klasse sechs mitteilen, was wir planen. Dass die Klassen etwa eine Frauenärztin besuchen, dass wir an­dere Fachleute in die Schule holen.“ Im übrigen werde Se­xualität nicht nur als biologisches Problem behandelt.

„Dazu gehören ethische und moraltheologische Fragestellungen, sie werden fächerübergreifend von den Schülerinnen bearbeitet.“ Ganz „unverkrampft“, wie sie betont: „Wir leben in dieser Welt, deshalb wird bei uns nichts vermieden. Die Kinder und Jugendlichen können jede Frage stellen, die sie haben – sie werden von unseren Lehrkräften eine Antwort bekommen.“