Stuttgart. .

Bei seiner mit großer Spannung erwarteten Dreikönigs-Rede könnte FDP-Parteichef ein wenig Luft gewinnen bis zu den Landtagswahlen im Frührjahr. Der Funke sprang jedoch nicht über.

Die Rede Guido Westerwelles nähert sich der Halbzeitgrenze, da ergibt sich im voll besetzten Stuttgarter Staatstheater ein klitzekleiner Zwischenfall, der einiges aussagt über die angestrengte Hemdsärmeligkeit des Parteivorsitzenden auf dem diesjährigen Dreikönigstreffen der Liberalen.

Gerade hat der FDP-Vormann mit dröhnigem Pathos wissen lassen, dass derjenige, der ein Land führen will, auch bereit sein müsse, „Durststrecken zu ertragen“, da rumort es plötzlich. Junge Leute oben auf dem dritten Rang entrollen ein Spruchband: „Stuttgart 21 stoppen - FDP tiefer legen!“, steht da zu lesen. Einzelne Buh-Rufe. Andere grinsen. Ordner kommen. Das Plakat wird einkassiert.

Erst dann ruft Westerwelle gespielt jovial hinauf: „Lasst es ruhig hängen. Jetzt habt Ihr euch das erste Mal im Leben „ne Krawatte umgebunden, um hier rein zu kommen - herzlich willkommen!“ Viele Lacher. Schöne Pointe. Nur leider trug keiner der fünf „Demonstranten“ einen Schlips. Tja.

In seinem 70-minütigen Vortrag, der eingedenk der desolaten Umfrage-Situation der FDP (und ihres Vorsitzenden) im Vorfeld mit allerlei Erwartungen befrachtet worden war, bewegte sich Westerwelle ansonsten auf sehr vertrautem Terrain: dem der heilen Welt. Krise? Welche Krise?

Rhetorisch entschlossen zum Kampf, aber ohne den leisesten Hauch von Selbstzweifeln oder gar Selbstkritik fordert der Liberalen-Chef Anhänger und Sympathisanten vor den anstehenden Landtagswahlen im Frühjahr dazu auf, ihr „liberales Immunsystem“ einzuschalten. „Deutschland hat Besseres verdient als linke Mehrheiten.“

Der derben, seinen Vorsitz in Frage stellenden Kritik der vergangenen Wochen aus den eigenen Reihen widmet Westerwelle nicht ein Wort. Unter Zuhilfenahme beträchtlichen Armeruderns und fortwährenden Fäusteballens deckt er die gut 1000 Zuhörer stattdessen lieber mit Durchhalte-Appellen ein: „Frage nicht, was kommt an. Tue das Richtige, das Richtige kommt dann auch an.“

„Die Demoskopie ist
nicht unser Maßstab“

Aber wenn die Umfragen nun mal dramatisch anderes verheißen, wie gestern, als der ARD-Deutschlandtrend den Liberalen mit vier Prozent den schlechtesten Wert seit Herbst 1999 zurechnete?

Ruhig Blut, macht nichts, meint Westerwelle wohl insgeheim. Nicht wir sind doof, die anderen haben nur immer noch nicht unsere schöne liberale Politik kapiert.

„Die Demoskopie ist nicht Maßstab unserer Meinung“, verordnet Guido Westerwelle, bügelt den allfälligen Vorwurf der Klientelpolitik als „töricht“ ab, charakterisiert gefühlt zum 273. Mal das bisherige Wirken seiner Partei in 16 Monaten schwarz-gelber Regierungskoalition als segensreich für die Republik und reklamiert einen Gutteil des „deutschen Wirtschaftswunder“ nach der Krise für die FDP.

Ja, doch, manches könne gewiss noch besser werden - „aber wir haben den Anfang des Politikwechsels gemacht.“ Was es nun noch braucht? Natürlich „Mut zur Zukunft“. Und Entschlossenheit.

Immer wieder wird die Rede von Szenen-Applaus unterbrochen. Und doch wollte der Zündfunke ehrlich empfundener Begeisterung oder gar Aufbruchsstimmung weder auf der Bühne, wo etwa die streckenweise regungslosen Gesichter von Parteigranden wie Brüderle und Solms Bände sprachen, noch im Auditorium überspringen.

Am Ende, Westerwelle hat das Zeitbudget überzogen, bedankt er sich beim Publikum: „Ich freue mich, dass Sie alle sitzen geblieben sind.“ Der Aufstand, ätzt beim Herausgehen ein Stuttgarter FDP-Mann, „könnte früher kommen als er denkt“.