Brüssel.
Lange wurde gerätselt, ob sich die EU zu Ungarns neuem Mediengesetz äußert oder nicht. Jetzt hat Medienkommissarin Neelie Kroes einen Brief an die Regierung geschickt. Sie übt vorsichtige Kritik an der Abschaffung der Pressefreiheit.
Brüssel macht wegen des umstrittenen Mediengesetzes Druck auf die ungarische Regierung, die am 1. Januar die EU-Ratspräsidentschaft übernommen hat. Medien-Kommissarin Neelie Kroes schickte Budapest bereits am 24. Dezember einen Brief, in dem sie die neuen Regeln infrage stellt, wie ein Kommissionssprecher am Montag bekannt gab. Das am 20. Dezember erlassene Gesetz sorgte bereits für massive Kritik, weil es die Unabhängigkeit der Presse gefährdet.
Kernelement der neuen Regeln ist ein Medienrat, der über die „Ausgewogenheit“ der Berichterstattung wachen soll und hohe Bußgelder verhängen kann. Die Vorsitzende der neuen Institution, Annamaria Szalai, wurde von Ministerpräsident Viktor Orban persönlich für neun Jahre ernannt.
Zweifel an der Unabhängigkeit der Behörde
In ihrem Brief äußere Kroes konkrete Zweifel daran, dass die Behörde unabhängig vorgehen könne, sagte Kommissionssprecher Olivier Bailly. Grund sei insbesondere die Zusammensetzung des Gremiums. Denn Langzeitpräsidentin Szalai gehört dem Regierungslager an. Brüssel erwarte nun „in den kommenden Tagen“ eine Klarstellung zu den Vorbehalten. Die Kommission reist am Freitag nach Budapest, um mit der Regierung über die sechsmonatige EU-Ratspräsidentschaft Ungarns zu beraten.
Ob das Mediengesetz gegen EU-Richtlinien sowie die Grundrechtecharter verstoße, werde derzeit noch überprüft, sagte Bailly. Die ungarische Regierung habe sich in einer ersten Stellungnahme verteidigt und Vorwürfe zurückgewiesen. Kommt Brüssel am Ende zu einer gegenteiligen Meinung, kann ein Vertragsverletzungsverfahren eröffnet und schließlich eine empfindliche Geldstrafe verhängt werden. (dapd)