Berlin. .

2011 ist es soweit: Die Menschheit überspringt die Sieben-Milliarden-Grenze. Die Menschheit wächst und wächst: Wie viel verträgt die Erde?

Eine Milliarde von ihnen leidet schon jetzt Hunger. Bis 2045 werden voraussichtlich neun Milliarden Menschen die Welt bevölkern. Geht das?

Während Deutschland und andere Industrieländer schrumpfen und ihre Bevölkerung überaltert, explodieren die Zahlen in den Entwicklungsländern, und zugleich wächst die Zahl der Hungernden. Vor allem West- und Ostafrika, aber auch Indien und westasiatische Länder wie der Irak, Saudi-Arabien und die Türkei werden nach Erwartungen der Bevölkerungsforscher weiter stark wachsen. Nur in China stagniert die Zahl vor 2045 – wegen der Ein-Kind-Politik.

Zwei Erden

Schon jetzt verbraucht die Menschheit mehr Ressourcen, als die Erde nachliefern kann. Wasser, Holz, Energie und Böden in einer Menge, die eineinhalb Planeten bräuchte, um wieder nachzuwachsen, haben wir 2009 unserer Erde entzogen. Das hat der World Wild Fund for Nature (WWF) für den aktuellen „Living Planet Index“ errechnet. Wenn es sich alle so gut gehen ließen wie wir Deutschen, hätte die Menschheit sogar deutlich mehr als zwei Planeten nötig, so Jörn Ehlers von der Umweltschutzorganisation.

Andere Länder betreiben noch größeren Raubbau: Weit vorne sind laut Living-Planet-Index die Arabischen Emirate, gefolgt von Katar und den USA. Ein Grund für uns, sich beruhigt zurückzulehnen, ist das aber nicht.

Beschleunigter Klimawandel

Denn während wir aus dem Vollen schöpfen, auch aus dem natürlichen Reichtum anderer Länder, haben in vielen armen Ländern West- und Ostafrikas mehr als die Hälfte der Menschen nicht einmal sauberes Wasser. Die Säuglingssterblichkeit ist dort 25mal so hoch wie in Deutschland, die Geburtenrate sieben Mal so hoch, die Lebenserwartung liegt bei 47 Jahren; bei uns sind es rund 80 Jahre.

Und was hat das mit uns zu tun? Sehr viel, sagen Umweltverbände wie der WWF und die FAO, die Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen. Die Kette ist kompliziert, aber logisch. Der hohe CO²-Ausstoß der reichen Länder beschleunigt den Klimawandel, der wiederum bremst durch Dürren oder Flutkatastrophen die Nahrungsmittelproduktion gerade in armen Ländern.

Fleisch frisst Kalorien

Wobei die Welt eigentlich jetzt schon genügend Nahrung für alle produziert. 4600 Kalorien je Bürger und Tag sind es, so Matthias Meißner, Referent für Agrarpolitik beim WWF. Nur: Allein 1700 dieser Kalorien werden an Tiere verfüttert, um Fleisch zu „produzieren“. Weniger als ein Drittel der 1700 verfütterten Kalorien kommen mit dem Fleisch aber letztlich beim Menschen an. Fleischproduktion verbraucht mehr Kalorien, als sie liefert.

Weitere 800 Kalorien gehen bei der Verarbeitung oder durch Verderben verloren. „Eine Studie in Großbritannien hat ergeben, dass die Briten jedes Jahr Lebensmittel für zwölf Milliarden Euro wegwerfen“, erklärt Meißner, der davon ausgeht, dass für Deutschland ähnliche Zahlen gelten. Dabei hungern weltweit eine Milliarde Menschen.

Ernten besser nutzen

„Es wäre falsch, nur auf die Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion zu setzen mit Gentechnik und hohem Düngereinsatz. Stattdessen ist es notwendig, die Möglichkeiten zur besseren Nutzung von Ernten zu thematisieren. Und unser Verhalten zu ändern“, fordert Matthias Meißner.

Wenn Deutsche etwa nicht mehr 60 Kilo Fleisch pro Kopf und Jahr, sondern nur noch 20 Kilo essen würden, könnte auf industrielle Fleischproduktion verzichtet werden. Das würde weniger Landschaftsverbrauch für Tierfutter und vor allem weniger CO²-Ausstoß bedeuten, mit weltweiten Effekten.

Verheerende Ein-Kind-Politik

So wichtig es ist, das Bevölkerungswachstum zu bremsen, so verheerend können sich Maßnahmen dafür auswirken. Welche Probleme Überalterung für soziale Sicherungssysteme bringt, wird in Deutschland derzeit immer spürbarer.

In China hat die strikte Ein-Kind-Politik dazu geführt, dass es einen extremen Jungenüberschuss gibt. An die 140 Jungen kommen auf 100 Mädchen. Weil die meisten, die nur ein Kind haben durften, „wenigstens“ einen Jungen wollten. Mädchen wurden vielfach abgetrieben oder als Säugling getötet. Die Söhne sollen später die Familie ernähren.

„nackte Äste“

Die Wertschätzung von Frauen könnte in absehbarer Zeit aber just wegen des Frauenmangels wachsen, wenn arme Mädchen in reichere Familien einheiraten können. Das Nachsehen haben dann arme Männer. „Nackte Äste“ nennen die Chinesen Männer ohne Familie. Es wird künftig sehr viele solcher „nackten Äste“ in China geben. Und vor allem wird die Bevölkerungskurve in spätestens 30 Jahren komplett umkippen. Dann wird dort die Überalterung im Zeitraffer die Gesellschaft überrollen.

Auch in anderen asiatischen und afrikanischen Ländern werden Jungen bevorzugt, weil Mädchen eine Mitgift brauchen und weil sie vielerorts für minderwertig gehalten werden. Hilfsorganisationen wie die Stiftung Weltbevölkerung versuchen, das zu ändern. Weil nur in aufgeklärten Ländern mit Gleichberechtigung eine sinnvolle und menschliche Bevölkerungspolitik möglich ist – und das Elend gelindert werden kann.