Berlin. .
Das Jahr 2011 verspricht spannend zu werden. Gesundheit, Pflege und Afghanistan – und ganz viele Wahlen. Ein Ausblick.
Philipp Rösler legt sich fest. 2011 werde „das Jahr der Pflege“. Es ist die erste Priorität des Gesundheitsministers. Ein klares Ziel gibt Halt, und den braucht man auch. Denn im Anzug ist ein unruhiges Jahr. Alle müssen sich bewähren, der neue Bundespräsident Christian Wulff, Regierung und Parteien. Der Wahlkampf, eigentlich der Ausnahmezustand der Politik, wird der Regelfall sein und den Ton vorgeben. Schriller wird es.
Missmutig geht es los. „Stützen oder stürzen“, heißt es bei der FDP. Die Frage betrifft ihren Chef Guido Westerwelle. Beim Dreikönigstreffen der Liberalen muss er ein Feuerwerk von einer Rede halten und seine Partei mitreißen. Dirk Niebel traut es ihm zu. „Ich kenne keinen besseren Wahlkämpfer als Guido Westerwelle“, versichert sein früherer Generalsekretär.
Auch als Außenminister steht Westerwelle im Feuer. 2010 kämpfte er mit Erfolg dafür, dass Deutschland als nicht-ständiges Mitglied in den UN-Sicherheitsrat einzieht. Im neuen Jahr wird man mit Argusaugen verfolgen, was er und seine Diplomaten daraus machen. Im Januar wird das Afghanistan-Mandat verlängert. Schon zum Jahresende soll der Abzug der deutschen Soldaten beginnen. Westerwelle hat es in Aussicht gestellt. Kanzlerin Angela Merkel und Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg sind da spürbar zurückhaltender.
Ruhe um Sarrazin
Ein anderes heißes Eisen: der Euro. Bis tief in die Regierung gibt es Zweifel: Werden die Beschlüsse des EU-Gipfels vom Dezember die Märkte beruhigen oder bleibt die Währung auch im neuen Jahr unter Druck?
2011 ist ferner das Jahr, in dem Papst Benedikt XVI. Deutschland besuchen will und in Berlin vor dem Bundestag reden soll; in dem die Wehrpflicht ausgesetzt wird; und das Parlament das Wahlrecht reformieren wird. Die Abgeordneten haben wenig Zeit. Das Verfassungsgericht hat ihnen eine Frist bis zum 30. Juni gesetzt. Zur Diskussion stehen unter anderem die so genannten Überhangmandate. Apropos Karlsruhe: Mindestens vier Urteile von herausragender Bedeutung stehen an: Über die Sicherungsverwahrung, den Euro-Rettungsschirm, den Atomausstieg und den Einsatz der Bundeswehr im Inland. Hessen, Bayern und Baden-Württemberg planen eine Klage gegen den Finanzausgleich der Länder. Pikanterie am Rande: Als Verfassungsrichter ist der saarländische Regierungschef Peter Müller im Gespräch. Das Land profitiert vom bisherigen Ausgleich. Muss sich Müller für befangen erklären, wenn die Klage mal aufgerufen wird?
Schon jetzt kommt die Politik kaum nach, Urteile fristgerecht umzusetzen. Am 7. Januar berät der Vermittlungsausschuss zwischen Bund und Ländern über die Hartz-IV-Reform, die überfällig ist. Ressortchefin Ursula von der Leyen (CDU) muss weitere dicke Bretter bohren: Sie will durch die CDU tingeln, um für die Anwerbung ausländischer Fachkräfte zu werben.
An der Sarrazin-Front herrscht derweil Ruhe. Nicht, dass die SPD ihn wieder lieb hätte. Sie will den Provokateur weiterhin ausschließen. Es ist nur so, dass Generalsekretärin Andrea Nahles schwanger ist. Da sie die Bevollmächtigte des Vorstands ist, geht das Verfahren auch erst weiter, wenn Nahles aus dem Mutterschaftsurlaub zurück ist. Das wird voraussichtlich Mitte Februar sein. Das könnte sich politisch als glücklich erweisen.
Die Wahl im „Ländle“
Am 20. Februar steht nämlich in Hamburg eine Wahl an. Wenn man den Demoskopen glaubt, heißt der nächste Bürgermeister Olaf Scholz. „Hamburg wird uns helfen“, hoffen die folgenden SPD-Wahlkämpfer: Mitte März in Sachsen-Anhalt, am 27. März in Baden-Württemberg sowie in Rheinland-Pfalz, im Herbst in Mecklenburg-Vorpommern, in Bremen und Berlin.
Die Wahl im „Ländle“ ragt aus zwei Gründen heraus. Erstens geht der Streit um das Bahnhofsprojekt „S21“ weiter, aber wird es politisch wie medial noch registriert, wenn die Wahl vorbei ist? Was bleibt vom Vorsatz, die Bürger künftig an den Entscheidungen stärker zu beteiligen? Zweitens ist Baden-Württemberg für CDU und FDP wichtig, für die Liberalen gilt es geradezu als Stammland. Die Schockwellen einer Abwahl von Schwarz-Gelb würden bis Berlin reichen und Merkel erschüttern. Bei Westerwelle sieht die Sache ernster aus: Jede Wahl ist für ihn persönlich die Härteprüfung.