Hanoi. .

Bundeskanzlerin Angela Merkel möchte die Zusammenarbeit der Bundesrepublik mit Vietnam stärken. Vietnams Premierminister Nguyen Tan Dung wünscht sich eine stärkere Rolle deutscher Unternehmen in seinem Land.

Vietnams Premierminister Nguyen Tan Dung hat sich im Vorfeld des beabsichtigen Besuches der Bundeskanzlerin Angela Merkel in Vietnam zu einer verstärkten Zusammenarbeit mit Deutschland bekannt und zugleich die bislang in seinen Augen zu geringen Investitionen deutscher Unternehmen in seinem Land beklagt. In einem exklusiven Interview mit den Zeitungen der WAZ Mediengruppe äußerte sich der Regierungschef in Hanoi zugleich kritisch über Vietnams Beziehungen zu China. Im Unterschied dazu begrüßte er die engen Beziehungen zu Vietnams einstigem Kriegsgegner USA.

Hat Vietnam die globale wirtschaftliche Krise überwunden?

Nguyen Tan Dung : Um auf die Krise zu reagieren und eine Rezession zu vermeiden, hat meine Regierung die Wachstumskräfte gestützt, den Export, die Investitionen und den Konsum angekurbelt, aber zugleich auch die soziale Fürsorge sicher gestellt und die Anti-Armutsprogramme beschleunigt. Deshalb erwarten wir mit 6,7 Prozent Wachstum eine regional wie weltweit vergleichsweise hohe Rate unseres Bruttosozialproduktes.

Wie steht es um ausländische Investitionen?

Reformer der Wirtschaft

Der Jurist Nguyen Tan Dung regiert die Sozialistische Republik Vietnam seit 2006. Vor seiner Berufung zum Premierminister war er Gouverneur der vietnamesischen Zentralbank. Mit 46 Jahren zog der heute 62jährige ins Politbüro der Kommunistischen Partei ein und zählt seither zu den wirtschaftlichen Reformern, die für eine schrittweise Privatisierung unrentabler Staatsunternehmen eintreten und die Bedingungen für ausländische Investoren verbessern.

Nguyen Tan Dung : Bis Ende November 2010 haben wir 12 000 Direktinvestitionen mit einem Volumen von 190 Mrd. US-Dollar ins Land geholt. Dies waren 9,9 Prozent mehr als 2009 und beweist das Vertrauen in die Entwicklung unserer Wirtschaft. Für die ausländischen Investoren haben wir zahlreiche vorteilhafte Richtlinien geschaffen. So machen wir keinen Unterschied mehr zwischen in- und ausländischen Unternehmen. Zugleich setzen wir unsere Reformen in der Wirtschaft sowie im Finanzsektor und in der Verwaltung fort.

Welche Fortschritte macht die Privatisierung der Staatsunternehmen?

Nguyen Tan Dung : Bis jetzt haben wir über 6 000 Unternehmen umstrukturiert und davon mehr als 4 000 den privaten gleichgestellt. Betroffen sind große Staatsunternehmen in den Schlüsselbereichen Finanzen, Banken, Versicherungen, Luftfahrt, Öl und Gas. Die Staatsunternehmen sind der privaten Konkurrenz ausgesetzt, damit sie ihre Leistungen verbessern und Zugpferde bleiben, um unsere makroökonomische Stabilität zu sichern.

Sie haben wiederholt die Probleme mit der Korruption beklagt.

Nguyen Tan Dung : Ihre Bekämpfung bleibt eine dringende Aufgabe für die nationale Entwicklung. Wir haben ein breites Spektrum von Maßnahmen ergriffen – von der besseren Kommunikation und Ausbildung bis zur Anpassung von Richtlinien, Verwaltungsreformen und strengerer Bestrafung von Korruption. Wir werden unsere Anti-Korruptionsmaßnahmen verstärken, einschließlich der dazu gehörigen Rechtsmittel und der notwendigen Transparenz bei den Einkommen der Staatsbeamten.

Haben sich die Beziehungen zu Ihrem schwierigen Nachbarn China verbessert?

Nguyen Tan Dung : Wir haben Besuche und Kontakte auf hohem Niveau beibehalten. Handel, Investitionen und Tourismus verzeichnen ungeheure Fortschritte. Zurzeit ist China mit 25 Mrd. US-Dollar Vietnams größter Handelspartner. Mit der Markierung unserer 1 400 km langen Grenze haben wir jetzt eine wichtige Rechtsgrundlage, um unsere Grenzen zu einer Grenze des Friedens zu machen. Damit haben wir Voraussetzungen geschaffen, um unsere restlichen Probleme anzugehen. Wir sind uns mit der Führung Chinas in der allgemeinen Vorstellung einig, Anstrengungen unternehmen zu sollen, um den Frieden zu erhalten und Stabilität im Ostmeer (der chinesischen See) zu schaffen. Freundschaftliche und kooperative Beziehungen sind Ziele unserer langfristigen Außenpolitik. Ich bin überzeugt, dass wir im Laufe der Zeit da stärkere Fortschritte machen.

Und die Beziehungen zu ihrem früheren Kriegsgegner USA?

Nguyen Tan Dung : Die sind in den letzten Jahren in allen Bereichen gewachsen. Wir wollen zusammen eine positive, freundliche und vielfältige kooperative Teilhaberschaft im gegenseitigen Respekt und im gemeinsamen Interesse aufbauen. Konkrete Mechanismen der Zusammenarbeit sind bereits eingeführt – besonders bei Handel, Investitionen, Ausbildung, Wissenschaft, Technologie, humanitärer Hilfe und der Regelung der Kriegsfolgen. Ich kann Ihnen sagen: Vietnam legt großen Wert auf das Verhältnis zu den USA und wird sich weiter bemühen, die Basis für beiderseitigen Interessen an Frieden, Stabilität und Entwicklung in der Region und in der Welt zu verbessern.

Wie entwickelt sich das Verhältnis zu Deutschland?

Nguyen Tan Dung : Ich habe gute Eindrücke von meinem Besuch in Ihrem Land im März 2008. Mein Besuch in Berlin war ein neuer Höhepunkt in unseren Beziehungen zur ‚Teilhaberschaft für nachhaltige Entwicklung’. Wir schätzen die Freundschaft und Zusammenarbeit mit einem so wichtigen Land wie Deutschland und möchten diese Beziehungen verstärken. Deutschland ist der größte Handelspartner und Importeur vietnamesischer Waren in der EU. Trotz der Weltwirtschaftskrise ist der Handelsaustausch in den ersten neun Monaten 2010 auf 4,37 Mrd. US-Dollar gestiegen – fast 28 Prozent mehr als im Vorjahr.

Wie steht es um deutsche Investitionen?

Nguyen Tan Dung : Verglichen mit dem Warenaustausch bleiben diese eher bescheiden. Bisher haben deutsche Firmen gerade Mal in 153 Projekte mit einem Gesamtvolumen von 809 Mio. US-Dollar investiert. Damit liegt Ihr Land auf dem 22. Platz unter den 91 Staaten, die bei uns investieren. Dies bildet weder das Potenzial Deutschlands noch die Wünsche beider Seiten ab.