Berlin. Israel erwartet einen „Tag der Trauer“. Vier tote Hamas-Geiseln wurden am Donnerstagmorgen übergeben. Ob Baby Kfir dabei ist, ist unklar.
Die radikalislamische Palästinenserorganisation Hamas hat an diesem Donnerstag die Leichen von vier Geiseln an das Rote Kreuz übergeben. Die Zeremonie in Chan Junis war in einer Live-Übertragung im Fernsehen zu sehen. Israel will nun die Identität der Leichen prüfen, bei denen es sich laut Hamas um tote Geiseln handeln soll.
Die Hamas hatte am Übergabeort eine Bühne errichtet, zahlreiche jubelnde Schaulustige versammelten sich neben Dutzenden vermummten und maskierten Islamisten in Uniformen zu lauter Musik. Auf der Bühne wurden vier schwarze Särge aufgebahrt, im Hintergrund war der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu als Vampir abgebildet, mit den Bildern der getöteten Geiseln. „Der Kriegsverbrecher Netanjahu und seine Armee haben sie mit Raketen zionistischer Kampfjets getötet“, stand daneben. Eine israelische Moderatorin sprach von einem „Theater des Terrors“.
Die Terroristen hatten vorab angekündigt, dass sich unter den vier Toten auch eine Mutter und zwei kleine Kinder sein sollen. Schiri, Ariel und Kfir Bibas haben auch die deutsche Staatsbürgerschaft. Bei der vierten Leiche handelt es sich nach Hamas-Angaben um eine ältere, männliche Geisel.
Videoaufnahmen der verängstigen Mutter und ihrer beiden rothaarigen Kinder bei der Entführung waren nach dem Massaker der Hamas-Terroristen im israelischen Grenzgebiet am 7. Oktober 2023 um die Welt gegangen. Die Hamas wiederholte die Behauptung, die Geiseln seien bei israelischen Bombardements im Gazastreifen getötet worden. Dafür gibt es von israelischer Seite keine Bestätigung.
Netanjahu spricht von „schwerem Tag“ für Israel
Der Vater der Kinder, Jarden Bibas, wurde kürzlich von der Hamas freigelassen. „Unglücklicherweise ist meine Familie nicht zu mir zurückgekehrt“, teilte er nach seiner Rückkehr nach Israel mit. „Mein Licht ist immer noch dort (im Gazastreifen), und solange sie dort sind, ist hier alles düster.“

Regierungschef Netanjahu sagte, Israel stehe ein „schwerer Tag“ bevor. „Ein erschütternder Tag, ein Tag der Trauer.“ Es zerreiße der ganzen Nation das Herz, aber „es sollte der ganzen Welt das Herz zerreißen, weil hier zu sehen ist, mit wem wir es zu tun haben, mit welchen Monstern“.
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Bis es abschließende Gewissheit über die Identität der ausgehändigten Leichen gibt, könnte es dauern. Israelische Medien meldeten unter Berufung auf Gesundheitsminister Uriel Busso, der Identifizierungsprozess könne einige Zeit in Anspruch nehmen. Auch die Todesursache solle geprüft werden.

Am Samstag sollen dann weitere sechs lebende Geiseln freigelassen werden, behaupteten die Terroristen. Es handele sich um die letzten lebenden Gefangenen, die in der ersten Phase des Waffenruhe-Abkommens mit Israel freikommen sollen, so Chalil al-Haija.
Israel: Wie viele Geiseln sich noch im Gazastreifen befinden sollen
Im Laufe der ersten Phase der am 19. Januar in Kraft getretenen Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas waren bislang 19 lebende israelische Geiseln freigekommen. Zusätzlich kamen fünf aus Israel entführte Thailänder unabhängig von der Vereinbarung frei. Das mehrstufige Abkommen zwischen Israel und der Hamas sieht vor, dass während einer ersten, sechswöchigen Phase nach und nach insgesamt 33 Geiseln im Austausch gegen 1904 palästinensische Häftlinge freikommen. Davon sind noch 14 Entführte, darunter acht Tote, in der Gewalt der Hamas.
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Zuletzt hatten die Terroristen am Samstag die drei Geiseln Sascha Trupanow, Sagui Dekel-Chen und Jair Horn freigelassen. Zuvor hatte die Palästinenserorganisation damit gedroht, die Geisel-Übergaben abzubrechen und zur Begründung auf angebliche Verstöße Israels gegen die geltende Waffenruhe verwiesen. Die Fortsetzung der Waffenruhe im Gazastreifen hatte damit zwischenzeitlich auf der Kippe gestanden.
Hamas-Mann misshandelt? Reservisten in Israel angeklagt
Israels Militärstaatsanwaltschaft hat derweil Armeeangaben zufolge Anklage gegen fünf Reservisten erhoben, die an der schweren Misshandlung eines palästinensischen Gefangenen beteiligt gewesen sein sollen. Ihnen wird vorgeworfen, dem Häftling schwere, auch sexualisierte Gewalt zugefügt zu haben. Israelische Medien zufolge misshandelten die Reservisten ein Hamas-Mitglied so brutal, dass der Mann verletzt ins Krankenhaus gebracht werden musste. Er soll demnach aus dem Gazastreifen stammen.
Die Angeklagten hätten am 5. Juli 2024 die Anweisung erhalten, den Häftling bei seiner Ankunft in der Militärbasis Sde Teiman nahe der Wüstenstadt Beerscheva zu durchsuchen, teilte Israels Militär mit. Dafür seien dem Gefangenen die Augen verbunden und seine Hände und Fußgelenke gefesselt worden. Die in halbjährigen Ermittlungen gesammelten Beweise seien „umfangreich und umfassten medizinische Unterlagen und authentisches Filmmaterial der installierten Überwachungskameras“, teilte die Armee mit.
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Israelische Militärpolizisten hatten in dem Fall zunächst zehn Soldaten festgenommen, allerdings wurden fünf von ihnen später wieder freigelassen. Berichte über schlimme Bedingungen für palästinensische Häftlinge in israelischem Gewahrsam sind keine Seltenheit und machen immer wieder Schlagzeilen.