Essen. Ein afghanischer Asylbewerber tötete zwei Menschen. Damit wird der Streit um die Migration endgültig zum zentralen Wahlkampfthema.

Nach den Anschlägen von Solingen und Magdeburg machte auf digitalen Plattformen eine Rede von Franz Josef Strauß aus dem November 1986 die Runde. Der damalige bayerische Ministerpräsident beschrieb darin ein wiederkehrendes „schauriges Ritual“ in sechs Akten:

1. Akt: Es geschieht ein schreckliches Verbrechen. 2. Akt: Bestürzung, Empörung. 3. Akt: Ruf nach harten Maßnahmen. 4. Akt: Warnung vor Überreaktionen. 5. Akt: Gar nichts. 6. Akt: Übergang zur Tagesordnung.

Bestürzung und Empörung noch präsent

Nun muss man nicht zur Fangemeinde des Bayern gehören, der schon damals polarisierte wie kaum ein anderer. Dass er aber vor fast vier Jahrzehnten politische Reflexe anprangerte, die mit Blick auf aktuelle Verbrechen bis zum heutigen Tag genau so ablaufen, ist bemerkenswert und erschreckend zugleich. Demnach befinden wir uns nach den tödlichen Messerstichen durch einen 28-jährigen afghanischen Asylbewerber in Aschaffenburg derzeit im Übergang vom 2. in den 3. Akt: Bestürzung und Empörung sind noch präsent, die harten Maßnahmen werden gefordert, für die Warnung vor Überreaktionen ist noch nicht die Zeit. Diese werden ohnehin eher leise ausfallen.

Denn Deutschland befindet sich im Wahlkampf. Die Migrationspolitik gehört neben der Wirtschaftsentwicklung zu den Themen, die den Wahlausgang am 23. Februar entscheidend prägen werden. Das Land ist, wie viele andere auch, nach rechts gerückt. Dies mag man bedauern, und man muss in dem Zusammenhang auch immer wieder darauf hinweisen, dass wir in einem Rechtsstaat leben, dass es Regeln der Abschiebung gibt, dass Geflüchtete Anspruch auf ein rechtsstaatliches Verfahren haben – und dass Mitmenschlichkeit und Hilfsbereitschaft im gesellschaftlichen Miteinander nicht auf der Strecke bleiben dürfen. Doch, und diese Frage gilt es in Politik und Gesellschaft endlich zu beantworten: Wo sind die Grenzen einer Migrationspolitik, die von immer weniger Menschen mitgetragen wird? Dabei darf es nicht darum gehen, den Rechtsstaat in Frage zu stellen, sondern vielmehr um die Erkenntnis, dass es Gesetze braucht, die die gesellschaftliche, politische und auch moralische Überforderung beenden.

Illegale Einwanderung minimieren

Ja, die Aufgaben sind komplex, im Übrigen zu komplex für die einfachen Antworten populistischer Parteien. Deutschland braucht für seine Zukunft dringend eine möglichst qualifizierte Zuwanderung von Menschen, die gern hier leben und arbeiten, entsprechend (ausländer)freundlich müssen sie empfangen werden. Andererseits muss Deutschland die in großen Teilen unregulierte und irreguläre Einwanderung minimieren.

Denn es ist doch offensichtlich: Wer einmal im Land ist, hat den beschriebenen Rechtsanspruch auf individuelle Prüfung. Dies zieht sich nicht selten über Jahre hin, hinzu kommt eine antiquierte Kommunikation zwischen Behörden auf Gemeinde-, Landes- und Bundesebene, die auch dafür verantwortlich ist, dass sich Täter trotz zigfacher Auffälligkeiten noch immer im Land befinden. Das ist einer Gesellschaft nicht mehr vermittelbar. Mehr Abschiebungen in die Herkunftsländer, auch nach Afghanistan, sind längst überfällig.

Absolute Sicherheit gibt es nicht

Dennoch müssen die Lösungen vor allem bei der Einreise ansetzen. Je weniger Zuwanderung, desto weniger Prüfung, desto weniger Belastung, desto weniger Überforderung. Deshalb braucht es Obergrenzen der Zuwanderung, sprich nachvollziehbare, weil umsetzbare Kontingente. Es gibt in Europa genügend Beispiele dafür, dass es funktionieren kann. Ein intensiver Blick nach Skandinavien etwa würde Lösungen aufzeigen. Die absolute Sicherheit vor Anschlägen wie in Solingen, Magdeburg oder Aschaffenburg gäbe es auch dann nicht. Aber die Sicherheit würde steigen – und die Glaubwürdigkeit von Politik.