Hamburg. Mit Polemik und Häme sprach Alice Weidel (AfD) am Donnerstag im Hamburger Rathaus und stellte ihren „Zukunftsplan“ für Deutschland vor.
Eine merkwürdige Stimmung lag in Hamburg am Donnerstagnachmittag in der Luft – fast wie die Ruhe vor einem Sturm. Dieser fegte nicht nur in Form einer Großdemonstration durch die Hamburger Innenstadt, sondern auch in Form der Person Alice Weidel durch das Hamburger Rathaus. Mit einer ordentlichen Portion Polemik präsentierte die Kanzlerkandidatin der AfD ihren „Plan für Deutschland“.
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Unter tosendem Applaus betrat Weidel am Abend den Festsaal des Hamburger Rathauses. Neben einem breiten Grinsen trug sie einen schwarzen, mit Herzen versehenen Rollkragenpullover. Dieser sei ein Zeichen an „Linke“ und „Linksextreme“, wie Weidel sagte. Dann zog sie einen kruden Vergleich zwischen einer Schlägertruppe der Nationalsozialisten und den Demonstrantinnen und Demonstranten in der Hamburger City.
AfD: Alice Weidel zeiht in Hamburg kruden Nazi-Vergleich
„Im dritten Reich hatten wir die schlagende SA. Diese Zeiten möchte ich nicht mehr wieder haben.“ Die in ihrem im Gespräch mit US-Milliardär Elon Musk aufgestellte und von Historikern vehement bestrittene Behauptung, Hitler sei ein Kommunist, bekräftigte Weidel in Hamburg. „Natürlich war er ein Linker. Er war ein Sozialist.“
Die Demo und das Großaufgebot der Polizei waren auch im Rathaus spürbar. Rund 850 geladene Gäste mussten an diesem Abend zunächst eine Sicherheitskontrolle durchlaufen. Weidels Auftritt verzögerte sich deshalb. Ein Pianist unterhielt derweil die wartenden Gäste mit Stücken wie „Imagine“, John Lennons legendäre Friedenshymne.
Aktivist im Hamburger Rathaus über die AfD: „Ihr wollt 1933 zurück!“
Bereits in der Warteschlange wurde intensiv über Politik gefachsimpelt. Von „Arbeit muss sich wieder lohnen“ bis „was wir haben ist keine Presse, sondern eine Propagandamaschine“ ging es einmal breit durch verschiedene Themenbereiche. Einer der Demonstranten hatte sich offensichtlich unter das Publikum gemischt und sprang auf, während Weidel sprach. „Widerstand ist überall“ und „Ihr wollt 1933 zurück“ schrie der junge Mann, bevor ihn Sicherheitspersonal aus dem Saal führte.
Weidel stellte in Hamburg ihren „Zukunftsplan“ für Deutschland vor und sprach vor allem über Migration, beziehungsweise „Remigration“, wie sie selbst sagte. Sie wolle Grenzen kontrollieren, sicher machen und „Illegale“ sofort an den Grenzen abweisen. „Wir fordern die Rechtsdurchsetzung von Abschieben und Rückführung“, sagte die Kanzlerkandidatin der AfD. Außerdem wolle sie Schluss machen mit der „Verramschung“ des deutschen Passes.
Weidel: „Deutschland ist der energiepolitische Geisterfahrer weltweit“
Weidel forderte zudem, das Verbrenner-Aus rückgängig zu machen und die CO2-Abgabe für Unternehmen abzuschaffen. „Deutschland ist der energiepolitische Geisterfahrer weltweit“, sagte die AfD-Politkerin. Kein anderes Industrieland betreibe eine so verantwortungslose Energiepolitik wie Deutschland. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) wolle sie ersatzlos abschaffen. Einen Ausbau von Windrädern würde die AfD sofort stoppen.
Für ihre politischen Gegner hat Weidel an diesem Abend vor allem Polemik und Häme übrig. So seien die Grünen eine „Ansammlung von Schwachköpfen“. Auch für Friedrich Merz fand sie nicht gerade wertschätzende Worte. Dass dieser sie angeblich nicht mehr grüße, irritiert sie jedoch.
Alice Weidel in Hamburg: AfD nach Umfrage im Moment zweitstärkste Kraft
In Vergleich zu ihren Konkurrenten um die Kanzlerschaft, Robert Habeck (Grüne) und Olaf Scholz (SPD) steht Weidel verhältnismäßig gut da. Die AfD liegt nach aktuellen Umfragen zwischen 20 und 22 Prozent und wäre damit zweitstärkste Kraft hinter der Union (30 bis 31 Prozent). Deutlich mehr Hoffnung auf eine Regierungsbeteiligung dürfen sich Habeck und Scholz dennoch machen. Eine mögliche Koalition mit der AfD schließt die CDU mit Kanzlerkandidat Friedrich Merz aus.
Neben den Demonstranten zeigten auch Hamburger Politiker, dass sie Alice Weidel in den Räumlichkeiten des Rathauses nicht gerade willkommen heißen. Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) schrieb auf der Plattform X: „heute ist ein guter Tag, um an die Hamburgische Verfassung zu erinnern. Denn manchmal hat man auch im Rathaus ungebetene Gäste. Aber unsere Demokratie ist stark und wehrhaft.“ Daraufhin sagte der Hamburger AfD-Politiker Dirk Nockemann: „Wir lassen uns das Rathaus nicht vom Bürgermeister verbieten“
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Nachdem Weidel sich in einem sogenannten Bürgerdialog den Fragen einem ihr gegenüber sehr aufgeschlossenem Publikum gestellt hatte, verließ sie den Festsaal des Hamburger Rathauses unter Standing Ovations. Gegen 21.30 Uhr leerte sich der Saal. Übrig bliebt ein Pianist, der gewissermaßen den Schlussakkord eines Abends spielte, der wohl noch einige Tage nachhallen dürfte.