Düsseldorf. Nach der Wahl ist die Reform des Bürgergelds wahrscheinlich. Der Städtetag NRW diskutiert das bemerkenswerte Konzept eines Praktikers.

Die nach der Bundestagswahl immer wahrscheinlichere Abwicklung des umstrittenen „Bürgergelds“ könnte nach dem Willen der NRW-Kommunen eine strengere Arbeitsverpflichtung für Sozialleistungsbezieher zur Folge haben.

Solange Bürgergeld-Empfänger und Asylbewerber eingeschränkt erwerbsfähig seien, müssten sie auch ohne reelle Chance auf einen sozialversicherungspflichtigen Job zumindest für drei Stunden am Tag zu einer Tätigkeit für das Gemeinwohl herangezogen werden, heißt es in einem Konzeptpapier, das zurzeit im Städtetag NRW diskutiert wird.

Peter Renzel (CDU), Stadtdirektor und Dezernent in Essen, hat einen Debattenaufschlag zur Bürgergeldreform gemacht.
Peter Renzel (CDU), Stadtdirektor und Dezernent in Essen, hat einen Debattenaufschlag zur Bürgergeldreform gemacht. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Es stammt aus der Feder des langjährigen Essener Dezernenten Peter Renzel (CDU), der sich ein Vorbild am „Work First“-Ansatz in den Niederlanden genommen hat. Das vom Bundesverfassungsgericht festgelegte Existenzminimum und die Regelungen des Bürgergeldgesetzes machten es „zu vielen Menschen viel zu leicht, sich dafür zu entscheiden, mit der Zahlung einer monatlichen Grundsicherung, die durch die Steuerzahler finanziert wird, zufrieden zu sein“, heißt es im Renzel-Papier. „Nicht sehr wenige Leistungsempfänger“ besserten ihr Einkommen durch regelmäßige Schwarzarbeit auf.

Auch Flüchtlinge sollen zum Dienst am Gemeinwesen herangezogen werden

Der langjährige Essener Dezernent, der eine Vergangenheit bei der Caritas hat und nicht als Scharfmacher gilt, schlägt eine grundlegende Sozialreform in Deutschland vor. Das Bürgergeld würde demnach in „Arbeitslosenhilfe“ umbenannt. Es umfasste nur noch eine Summe für die persönliche Lebenshaltung und eine anerkannte Miete plus Heizkosten. Vorhandenes Vermögen müsste bis auf einen Freibetrag eingesetzt werden.

Langzeitarbeitslose sollen gesetzlich verpflichtet werden, eine vom Jobcenter innerhalb eines Monats zugewiesene gemeinnützige Arbeitsgelegenheit anzunehmen und so dem Gemeinwohl zu dienen. Auch das Asylbewerberleistungsgesetz soll mit dem „Work First“-Ansatz verknüpft werden. Wer sich verweigert, riskiert die Kürzung der Sozialleistung.

Gemeinwohlarbeit kann mit einem Sprachkurs kombiniert werden

Gemeinwohlarbeit könne mit einem Sprachkurs kombiniert werden, sofern das Deutsch-Niveau der Betroffenen unter B2 liege. Flüchtlinge, anerkannte Asylbewerber und Geduldete seien „in der Regel zum Nichtstun verdammt, weil sie nicht arbeiten dürfen und Integrationsangebote knapp sind“, so Renzel. Denkbar sei deshalb ein Einsatz in Sport- und Parkanlagen oder für gemeinnützige Organisationen wie Vereine und Kirchen. Dadurch lasse sich auch „ein gesellschaftlicher Mehrwert in Form der besseren Integration der Flüchtlinge und einer Steigerung der gesellschaftlichen Akzeptanz“ erreichen.

NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) hat die Forderung nach dem „Work First“-Ansatz als „interessant“ gelobt. Zugleich wies er in einem Schreiben an den Essener Dezernenten daraufhin, dass man wegen der „Unverfügbarkeit“ des Grundrechts auf ein menschenwürdiges Existenzminimum und der Vorgaben zur „Berufsfreiheit“ eine verfassungsrechtliche Prüfung vorschalten müsse.