Bergheim/Düsseldorf. Zwei Polizeibeamte sollen bei einem Einsatz brutal agiert haben. Es kursieren Videobilder im Netz. Nun wird gegen die beiden ermittelt.
Die Polizei im Rhein-Erft-Kreis sieht sich Vorwürfen eines Gewalt-Eklats ausgesetzt. Zwei Streifenbeamte sollen am Tag vor Heiligabend bei einem Einsatz einen 40-Jährigen brutal geschlagen und getreten haben. Der Fall ist besonders pikant, weil Videobilder im Netz kursieren, die die Beamten zeigen, wie sie auf den Mann einwirken.
Mehrere Medien berichten jetzt über den Fall, darunter der WDR und der Kölner Stadtanzeiger. Demnach habe sich der Fall in der Bergheimer Wohnsiedlung „Wohnpark Zieverich“ abgespielt, die direkt gegenüber dem Polizeipräsidium des Rhein-Erft-Kreises liegt.
Gewalt-Vorwürfe gegen Polizeibeamte: Opfer habe keine Gegenwehr geleistet
Ein Mann sei am 23. Dezember vergangenen Jahres mit seiner Frau in Streit geraten, ein Anwohner habe deshalb die Polizei alarmiert. Die Beamten vor Ort hätten im Laufe ihres Einsatzes dann den Mann mit Gewalt traktiert, obwohl er keine Gegenwehr geleistet habe. Laut Zeugen hätte sich die Situation, die sich vor dem Wohnhaus des Mannes abspielte, zuvor bereits entspannt gehabt. Umso weniger könnten sie es sich erklären, dass die beiden Polizeibeamten dann auf den Mann eingetreten und -geschlagen hätten. Unter anderem sei dabei ein Gummiknüppel verwendet worden.
Bei dem Einsatz hätte einer der Beamten den Mann auch mit einer Pfefferspray-Dose auf den Kopf geschlagen, die Dose sei dabei zerborsten, wodurch einer der Beamten das Spray im Gesicht abbekommen hätte.
NRW-Innenminister Reul sieht „ernste Fragen aufgeworfen“
Im Netz kursierende Videobilder erhärten die Vorwürfe offensichtlich. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) erklärte auf Nachfrage dieser Redaktion: „Das Video vom Polizeieinsatz aus Bergheim wirft ernste Fragen auf.“ Der Vorwurf gegen die beiden Polizisten sei schwerwiegend, erklärte Reul: „Wir prüfen das bis ins allerletzte Detail. Da geht es um Körperverletzung im Amt. Das ist keine Lappalie.“
Näher wollte sich Reul am Freitag nicht zu dem Fall äußern: „Wir müssen aber die Ermittlungen abwarten. Grundsätzlich gilt: Durchsetzung von Recht und Ordnung muss verhältnismäßig sein. Das Vertrauen in die Sicherheitsbehörden basiert auf deren Integrität. Wenn Beamte im Dienst Fehler machen und überzogen Gewalt anwenden, hat das Konsequenzen. Dienstrechtlich und auch strafrechtlich.“
Strafrechtliche und disziplinarrechtliche Ermittlungen gegen die Polizisten
Bei der Kreispolizei in Bergheim war am Freitag niemand für eine Stellungnahme erreichbar, eine Anfrage an die Kreisverwaltung blieb unbeantwortet. Laut Medienberichten habe Landrat Frank Rock in seiner Funktion als Chef der Kreispolizei disziplinarrechtliche Ermittlungen gegen die beiden beschuldigten Polizisten eingeleitet. Daneben laufe ein strafrechtliches Verfahren von Amts wegen bei der Staatsanwaltschaft Köln. Der 40-Jährige, der Opfer der mutmaßlichen Prügelattacke geworden ist, habe nach eigenen Angaben noch keine Strafanzeige gestellt, berichtet der Kölner Stadtanzeiger am Freitag.
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Für eine Einordnung der Vorwürfe konnte man am Freitag im NRW-Innenministerium keine Zahlen nennen. Im Zusammenhang mit einer im Mai 2023 vorgestellten kriminologischen Studie zu Gewalt im Amt bei Polizeibeamten war von knapp 2800 Ermittlungsverfahren gegen Polizeibeamte im Jahr 2021 die Rede, unklar ist allerdings, ob es sich zum bundesweite Fälle handelt oder NRW-weit. Es gebe „ein großes Dunkelfeld“ in diesem Deliktbereich, sagte der Kriminologe Tobias Singelnstein, der viele Jahre lang an der Ruhr-Uni Bochum zu Polizeigewalt geforscht hat und inzwischen an der Universität Frankfurt/Main tätig ist.
Mutmaßlichem Gewaltopfer wird „Widerstand“ vorgeworfen
„Der Rechtsstaat sieht vor, allen Hinweisen auf Fehlverhalten von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten nachzugehen und in allen Verdachtsfällen eine neutrale und objektive Sachverhaltsklärung durch die ordentlichen staatlichen Instanzen herbeizuführen. Dies ist auch Teil des Selbstverständnisses der Polizei“, sagte ein Sprecher des NRW-Innenministeriums mit Blick auf die nun laufenden Ermittlungen gegen die beiden Polizisten. „Soweit diese Instanzen ein vorwerfbares Verhalten der einschreitenden Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten feststellen, werden neben den entsprechenden strafrechtlichen auch disziplinar- und/oder beamtenrechtliche Maßnahmen konsequent veranlasst.“
Medienberichten nach sieht sich auch das mutmaßliche Prügel-Opfer Ermittlungen ausgesetzt. Der Mann soll sich wegen des Vorwurfs „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ verantworten.