Düsseldorf. Rüge aus Karlsruhe: Warum die Eingriffsschwelle für die präventive Überwachung von Gefährdern im NRW-Polizeirecht nachgebessert wird.

Nach einer Rüge des Bundesverfassungsgerichts hat NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) eine Änderung des Polizeigesetzes zugesagt. Die Landesregierung werde die Entscheidung aus Karlsruhe „genau prüfen“ und dem Landtag einen Vorschlag zur Anpassung der verfassungsrechtlich beanstandeten Vorschriften unterbreiten, erklärte ein Ministeriumssprecher am Freitag auf Anfrage unserer Redaktion.

Das Bundesverfassungsgericht hatte Teile des NRW-Polizeigesetzes für grundgesetzwidrig erklärt und eine Änderung bis Ende 2025 angemahnt. Konkret stießen sich die Richter an Vorschriften zu präventiven Observationen von Gefährdern.

Die Freundin eines behördenbekannten Rechtsextremen hatte geklagt

Die Freundin eines behördenbekannten Rechtsextremen hatte sich erfolgreich durch alle Instanzen geklagt, weil sie vor Jahren bei der Überwachung ihres Partners ebenfalls von der Polizei verdeckt gefilmt und fotografiert worden war.

Der Mann war im Sommer 2015 als rechtsextremer Gefährder, der unter anderem wegen Totschlags, gefährlicher Körperverletzung und unterlassener Hilfeleistung verurteilt wurde, aus dem Gefängnis entlassen worden. In Vorbereitung seiner Haftentlassung ließ die Polizei heimlich seinen neuen Aufenthaltsort für die Dauer eines Monats auch mit Kameratechnik überwachen. So sollten ein mögliches Abtauchen und die Vorbereitung weiterer schwerer Gewaltkriminalität verhindert werden.

Eingriffsschwelle im NRW-Polizeigesetz muss konkreter gefasst werden

Die Mitbeobachtung der Freundin war unzulässig, erklärte nun das Bundesverfassungsgericht. Für eine so weitreichende Maßnahme wie die präventive Observation inklusive Umfeld müsse im Polizeigesetz „als Eingriffsschwelle entweder eine konkrete Gefahr oder eine wenigstens konkretisierte Gefahr“ verlangt werden, so Karlsruhe.

Die Annahme, dass Personen bestimmte Straftaten „begehen wollen“, reiche nicht aus. So wie das NRW-Polizeigesetz bislang formuliert ist, könnte sich die Gefahrenprognose auch allein auf allgemeine Erfahrungssätze der Ermittler stützen. Das geht dem Bundesverfassungsgericht zu weit, zumal wenn die Überwachungsmaßnahme nicht allein auf den Gefährder beschränkt bleiben kann.

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU).
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU). © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Innenminister Reul war zwar zum Zeitpunkt der jetzt beanstandeten Observation noch gar nicht im Amt. Allerdings hatte er bei seiner Reform des Polizeigesetzes im Jahr 2018 einige der kritisierten Passagen des alten Paragrafenwerks übernommen. Seine Fachbeamten müssen deshalb bis zum Jahresende „Eingriffstatbestände“ formulieren, die Karlsruhe zufriedenstellen und gleichzeitig eine umfassende präventive Observation von behördenbekannten Gefährdern weiterhin erlauben.

Das NRW-Polizeigesetz der damaligen schwarz-gelben Regierungskoalition wurde 2018 heftig diskutiert und mehrfach geändert. Am Ende war es Reul gelungen, auch die oppositionelle SPD für eine Zustimmung zu gewinnen.