Minsk. .

Wie erwartet wurde der umstrittene weißrussische Präsident Lukaschenko bei den Wahlen im Amt bestätigt. Beobachter gehen von massiven Manipulationen aus. Demonstranten versuchen, den Regierungssitz zu stürmen.

Unnachgiebig hält er an seiner Macht fest - nun hat sich Weißrusslands Präsident Alexander Lukaschenko erneut im Amt bestätigen lassen. Der 56-Jährige erhielt laut einer Prognose des Staatsfernsehens bei der Präsidentschaftswahl am Sonntag 72 Prozent der Stimmen. Doch dieses Mal hat er womöglich überzogen: Noch am Abend als das Wahlergebnis offiziell bekannt gegeben wurde, gingen zehntausende Menschen auf die Straße der Hauptstadt Minsk um gegen den vermuteten Wahlbetrug zu protestieren. Die Demonstranten versuchten, den Regierungssitz zu stürmen. Die Polizei drängte die wütende Menge umgehend zurück. Sondereinheiten formten eine Menschenkette und hielten die Oppositions-Anhänger so einige Meter vom Regierungssitz entfernt.

Oppositionskandidat Andrej Sannikow verkündete vor den Demonstranten im Zentrum der Hauptstadt, Lukaschenkos „Diktatur“ werde unter dem Druck der Straße fallen. „Hier hat Weißrussland 1991 die Unabhängigkeit bekommen und heute wird hier Lukaschenkos Diktatur fallen.“

Erwarteter Wahlausgang

Der Wahlausgang an sich ist für Beobachter nicht verwunderlich: Mit seinem autoritären Führungsstil hat der seit 16 Jahren amtierende Lukaschenko ein Klima der Angst geschürt. Der ohnehin zersplitterten und schwachen Opposition gönnt er keinen Platz in den Medien des Landes. Und auch diesmal gab es bei der Wahl nach Angaben der Opposition viele Unregelmäßigkeiten.

Aufgewachsen ist der Mann mit dem markanten Schnauzer in dem Dorf Rischkatidschi etwa 200 Kilometer östlich von Minsk. Hier lebte er zunächst in ärmlichen Verhältnissen, stieg dann aber in die kommunistische Landwirtschafts-Elite auf. 1987 wurde er Direktor einer Kolchose, 1990 wurde er ins weißrussische Parlament gewählt. „Er war wirklich positiv eingestellt und gegen den Kommunismus“, erinnert sich sein ehemaliger Freund Alexander Scherbak. Erst später sei Lukaschenko „machtsüchtig“ geworden.

Diktatorische Befugnisse

Seine politische Karriere gewann 1993 an Fahrt, als er Vorsitzender des parlamentarischen Anti-Korruptionsausschusses wurde. Diesen Posten nutzte er 1994, um sich bei der ersten Präsidentschaftswahl in Weißrussland ins höchste Staatsamt wählen zu lassen. Seither zog er unaufhörlich Macht an sich und gab sie nicht mehr aus den Händen. 1996 peitschte er ein umstrittenes Verfassungsreferendum durch, das ihm fast diktatorische Befugnisse zubilligte und das Parlament beträchtlich schwächte.

Während Lukaschenko von westlichen Politikern oft als der „letzte Diktator Europas“ bezeichnet wird, genießt er vor allem unter den älteren Weißrussen und den Leuten vom Land Ansehen. Fast zärtlich nennen sie ihn „Batka“ (“Väterchen“). Doch bei der Jugend ist er umstritten. Vor allem junge Menschen waren es, die nach der Präsidentschaftswahl vor vier Jahren massenweise auf die Straße gingen. Sie prangerten Manipulationen bei dem Urnengang an - und mussten fürchten, Opfer einer Verhaftungswelle zu werden. Mehrere politische Gegner Lukaschenkos wurden damals zu jahrelangen Haftstrafen verurteilt. Zwei von ihnen wurden laut Amnesty International im März mit Nackenschüssen hingerichtet.

Moskau hat ihn fallen gelassen

Den Wahlsieg vor vier Jahren erkannten die Opposition und das westliche Ausland nicht an, weil die Abstimmung weder frei noch fair verlief. Dafür gab der große Nachbar Russland Lukaschenko damals noch Rückendeckung. Doch das Vertrauen Moskaus scheint er inzwischen verloren zu haben. Die Beziehungen zwischen den einstigen Verbündeten sind seit mehreren Monaten merklich abgekühlt. In den russischen Medien wurde Lukaschenko als „Psychopath“ dargestellt. Zudem gab es Streit um Gaslieferungen; auch die von Lukaschenko offenbar angestrebte Annäherung an die Europäische Union ist Moskau ein Dorn im Auge.

Im Privatleben nimmt der sportbegeisterte Lukaschenko, der sich mal im Bauern-Gewand, mal bei einer Hockey-Partie im Fernsehen präsentiert, regelmäßig an Wintersportwettkämpfen teil. Ihn zu besiegen ist jedoch verboten. „Man darf ihn beim Hockeyspielen nicht berühren und beim Skifahren nicht überholen“, berichtet Kajak-Olympiasieger Wladimir Parfenowitsch.

Neben seinem Hang zur Macht pflegt Lukaschenko sein Bild als liebender Vater. Seinen sechsjährigen Sohn Kolja nimmt er oft zu Sitzungen mit. Einst begleitete der Kleine ihn sogar zu einem Treffen mit dem Papst. „Er ist mein Talisman“, sagte Lukaschenko einst über seinen Sohn. Auch am Sonntag nahm er ihn mit zur Stimmabgabe. (afp)