Essen. Unions-Kanzlerkandidat Merz sieht die Wirtschaft auf der Kippe und das Land „am Rande einer ganz ernsthaften Energieversorgungskrise“.

Angesichts von Stellenabbau, Abwanderungstendenzen und Ertragskrise in zahlreichen Industrieunternehmen an Rhein und Ruhr hat Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz grundsätzlich die Energiewende in Deutschland in Frage gestellt.

„Wir werden einen Paradigmenwechsel in der Energiepolitik vollziehen. Wir werden nicht mehr einseitig nur auf Wind und Sonne setzen, sondern wir werden sämtliche Ressourcen ausschöpfen, die es gibt“, kündigte Merz bei der Delegiertenkonferenz der NRW-CDU in Essen an. Hohe Stromkosten und fehlende Planungssicherheit bei der Energieversorgung setzen vielen Industriebetrieben zu.

Es müssten aktuell sämtliche Kraftwerke wieder hochgefahren werden, „die noch irgendwo in der Reserve vorhanden sind“ und zusätzlich Atomstrom aus Frankreich bezogen werden, um die Flaute bei Wind und Sonne auszugleichen. „Wir sind hart am Rande einer ganz ernsthaften Energieversorgungskrise“, warnte Merz.

Merz nennt Habeck „literarisch orientierten Bundeswirtschaftsminister“

Nach der Bundestagswahl will Merz nicht mehr hinnehmen, dass Deutschland bei der Energieversorgung „Geisterfahrer in Europa“ sei. Scharfe Kritik übte er am Grünen-Spitzenkandidaten Robert Habeck. „Transformative Angebotspolitik nennt der literarisch orientierte Bundeswirtschaftsminister das, was er in den letzten Jahren in der Wirtschafts- und Energiepolitik gemacht hat“, spottete Merz.

Die Union schließt eine Rückkehr zum Atomstrom nicht mehr aus. „Wir werden sogar noch mal einen kurzen Blick zurückwerfen, ob möglicherweise diese drei stillgelegten Kraftwerke aus dem Jahr 2023 noch reaktivierbar sind“, sagte der CDU-Chef mit Blick auf die letzten drei Kernkraftwerke, die im Frühjahr 2023 abgeschaltet wurden. Ein Wiederanfahren halten aber selbst deren Betreiber für technisch schwierig und wirtschaftlich unsinnig. Merz dämpfte die Erwartungen: „Ich hab‘ da meine Zweifel. Mit jeder Woche, die ins Land geht, wird das weniger wahrscheinlich.“

Wüst will „verlässliche Energieversorgung mit wettbewerbsfähigen Preisen“

Der eigentlich für 2030 vorgesehene Kohleausstieg in NRW rückt derweil in immer weitere Ferne. „Wir werden nichts mehr abschalten in Deutschland, bevor nicht die Ersatzquellen eingeschaltet sind“, kündigte Merz an. Auch NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), der seinem grünen Koalitionspartner das Ausstiegsdatum 2030 zugesagt hatte, betonte eine „verlässliche Energieversorgung mit wettbewerbsfähigen Preisen“ als Voraussetzung.

Eine Kraftwerksstrategie, die genügend konventionellen Stromerzeugern für den schwer kalkulierbaren Einsatz in Dunkelflauten Subventionen zusagt, ist nicht in Sicht. Am grünen Idealbild von modernen Wasserstoff-Kraftwerken, die an wind- und sonnenarmen problemlos einspringen, gibt es in der Union inzwischen erhebliche Zweifel. „Ja, natürlich auch sauber, aber wir müssen jetzt auch wieder darauf achten, dass das alles bezahlbar bleibt und dass wir verlässlich mit Energie versorgt werden“, so Wüst.