Düsseldorf. NRW-Medienminister Liminski erklärt, wie die Länder ARD und ZDF reformieren und Widerstand gegen Gebührenerhöhungen leisten wollen.

Die Ministerpräsidentenkonferenz will in dieser Woche eine Rundfunkreform beschließen, damit die öffentlich-rechtlichen Sender besser werden und für die Nutzer nicht nur immer teurer. NRW-Medienminister Nathanael Liminski (CDU) erklärt, wie er ARD und ZDF endlich auf Sparkurs trimmen und die Gebühren stabil halten will.

Wie weit sind Sie mit ihren Reformplänen?

Liminski: Sehr weit. Bei den Reformen in der Sache sind wir bereits fertig, die Schritte sind von den Ländern im Oktober beschlossen worden. Es geht im Wesentlichen um weniger Hörfunkwellen, die Zusammenführung von Spartensendern, geringere Ausgaben für Sportrechte, schlankere Verwaltungsstrukturen, den Abbau von Dopplungen im Programm und eine klarere Abgrenzung zu Online-Textangeboten der freien Presse. Das alles hilft, das beträchtliche Beitragsaufkommen von rund neun Milliarden Euro effektiver im Sinne des gesetzlichen Programmauftrags und effizienter im Sinne der Beitragsentwicklung einzusetzen. Das sichert - zusammen mit den letzten Staatsverträgen zur Schärfung des Auftrags und Stärkung der Aufsicht - die dauerhafte Akzeptanz dieses pflichtfinanzierten Rundfunkangebots. Und darum muss es allen gehen.

Warum wollen Sie auch im Programm streichen?

Liminski: Wer Beitragsstabilität will, muss bei einer normalen Teuerungsrate zwangsläufig die gewachsenen Strukturen hinterfragen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk darf nicht weiter von seinen bisherigen Strukturen her gedacht und gestaltet werden, sondern vom Auftrag und vom veränderten Mediennutzungsverhalten her. Manches lässt sich nur noch aus der Historie erklären: Die Spartenkanäle boten etwa ursprünglich ein Programm für besonders interessierte Zuschauerinnen und Zuschauer, um dort gebündelt noch einmal bestimmte Sendungen zu wiederholen. In Zeiten einer Mediathek ergibt das so keinen Sinn mehr, sondern nur noch dort, wo im Sinne des Auftrags zusätzliches Programm gemacht wird. Oder nehmen Sie Hörfunkwellen, die heute über Internetradio problemlos deutschlandweit zu empfangen sind. Da müssen Sie keine neun Klassiksender anbieten, denn Beethoven hört sich in Kiel nicht anders an als in Berchtesgaden.

„Der Speck liegt im Hauptprogramm“

Wäre es nicht klüger, kleine Sendeanstalten komplett zusammenzulegen, um größere Summen zu sparen?

Liminski: Mir war wichtig, dass wir nicht zuerst bei Programmmarken oder in den Redaktionen sparen, weil sich genau daran die Wertschätzung und das Vertrauen der Nutzer festmachen. Auch Zusatzangebote wie Phoenix oder KiKa sind nicht der Grund für den immensen Finanzbedarf. Der Speck liegt im Hauptprogramm. Das Geld wird gebunden in den Königreichen hinter dem Programm, also in der je eigenen Verwaltung von Personal, Liegenschaften und Produktionskapazitäten. Hier liegt nennenswertes Einsparpotential, innerhalb der neun ARD-Anstalten und zwischen ARD und ZDF.

ARD und ZDF haben Verfassungsbeschwerde eingelegt, weil ihnen die empfohlene Beitragserhöhung um 58 Cent auf dann 18,94 Euro im Monat von den Ländern verwehrt wird. Können Sie das nachvollziehen? 

Liminski: Nein, denn es war allen Beteiligten klar, dass die Länder noch in diesem Jahr eine Antwort auch auf die künftige Finanzierungsfrage geben wollen. Es ist deshalb eine hochgradig politische Entscheidung der Intendanten gewesen, dass ARD und ZDF bewusst vor diesen Beratungen das Bundesverfassungsgericht anrufen - und diese damit massiv belasten. Das war und ist ein falsches Signal zur falschen Zeit.

Die Sender argumentieren, dass ihnen das zusätzliche Geld zustehe und es angesichts der allgemeinen Kostensteigerung dringend notwendig sei…

Liminski: Mit Blick auf Rücklagen von über zwei Milliarden Euro des öffentlich-rechtlichen Rundfunksystems und die bisherige Rechtsprechung des Verfassungsgerichts war für die Sender weder finanziell noch rechtlich Gefahr in Verzug. Mir kann niemand erzählen, dass es nicht möglich gewesen sein soll, die Entscheidung der Ministerpräsidentenkonferenz über den neuen Rundfunkstaatsvertrag und ein neues Beitragsermittlungsmodell abzuwarten. Dass die Intendanten die Länder mit ihrer Klage vor vollendete Tatsachen gestellt haben, ist nicht das Miteinander, das ich mir vorstelle. Jedem muss klar sein: Akzeptanz für ein pflichtfinanziertes Rundfunksystem wird man nicht vor Gerichten einklagen können. Dafür braucht es eine demokratische Legitimierung, durch die Letztverantwortung der gewählten Politik.

Die Landtage legen den Rundfunkbeitrag nicht centgenau fest

Wie wollen Sie künftig verhindern, dass pflichtfinanzierte Sender weiterhin für Wettbewerbsverzerrungen im umkämpften Medienmarkt von morgen sorgen?

Liminski: Der Fokus der Öffentlich-Rechtlichen muss auf audio-visuellen Angeboten liegen, ganz gleich, ob im linearen Programm oder über die Mediathek oder als Podcast. Text ist in gewissem Umfang sicher notwendig und sinnvoll. So wollen wir, dass die Öffentlich-Rechtlichen über Angebote in den sozialen Netzwerken junge Menschen erreichen. Aber die Auswüchse, mit denen sich die Sender auf die Geschäftsfelder privater Medienunternehmen begeben haben, müssen wir eindämmen. Das löst nicht alle Probleme von Verlagen, aber erschwert ihnen, die im internationalen Wettbewerb stehen um Reichweiten und Werbemärkte, zumindest das Leben nicht noch zusätzlich.

Es wird immer schwerer, 16 Landtage hinter den Öffentlich-Rechtlichen zu versammeln. Wie wollen Sie das Verfahren zur Festsetzung der Gebühren verändern?

Liminski: Wir haben die schräge Situation, dass die Bürgerinnen und Bürger den Eindruck gewinnen, in den 16 Landtagen selbst würde auf den Cent genau der Rundfunkbeitrag beraten und festgelegt. Das ist nicht so. Die Anstalten melden ihren Finanzbedarf an, die unabhängige Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs, KEF, prüft das Ergebnis und die Länder setzen es rechtlich einstimmig um. Diesen Dreiklang halte ich grundsätzlich für richtig, aber wir müssen etwas beim letzten Schritt, den Widerspruchsmöglichkeiten der Länderparlamente, verändern.

Gebührenerhöhung auf 18,95 Euro pro Monat noch nicht das letzte Wort

Was?

Liminski: Ein neues Widerspruchsmodell könnte so aussehen, dass die Eingriffsmöglichkeiten der Parlamente sich künftig nach der Höhe der geplanten Anpassung des Rundfunkbeitrags richten und die Länder tatsächlich gemeinsam handeln. Grundsätzlich würde dann gelten, was die KEF nach ihrer strengen Prüfung ermittelt. Geht es dabei um eine geringfügige Erhöhung des Beitrags, müssten sich mehrere Länder dafür aussprechen, diese Erhöhung nochmals durch alle 16 Landtage abstimmen zu lassen. Geht es hingegen um eine beträchtliche Steigerung, könnten bereits deutlich weniger Länder bis hin zu nur einem Land für eine Abstimmung durch die Länderparlamente sorgen.

Aber bis dahin sind 18,94 Euro rechtlich zwingend?

Liminski: Alle Überlegungen, den Sendern künftig mehr finanzielle Planungssicherheit zu geben, waren immer an die Erwartung geknüpft, dass in den nächsten zwei Jahren aufgrund der Rücklagen keine Beitragserhöhung erforderlich ist. Deswegen macht die Klage eine Einigung so viel schwieriger. Ich gehe davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht bei seiner Entscheidung berücksichtigen wird, dass eine neue Mechanik zur Beitragsberechnung auf dem Weg ist. Das war der Auftrag des Gerichts an die Politik im letzten Rundfunk-Urteil. Außerdem hoffe ich immer noch, dass die Sender auf den Weg des guten Miteinanders zurückkehren.