Düsseldorf. „Da würde sich niemals ein Arzt behandeln lassen“: Macht Lauterbachs Krankenhaus-Reform die Wege weiter oder die Behandlung besser?

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) hat vergeblich um Änderungen an der einschneidenden Krankenhausreform seines Bundeskollegen Karl Lauterbach (SPD) gekämpft. Im Bundesrat fand sich am Freitag keine Mehrheit für die Anrufung des Vermittlungsausschusses, so dass der umfassende Umbau der Krankenhauslandschaft - so wie von Lauterbach geplant - ab 2025 Schritt für Schritt kommen kann.

„Zu starre Vorgaben bei einer gewachsenen Krankenhauslandschaft und einem real existierenden Fachkräftemangel werden, davon bin ich überzeugt, zu Versorgungslücken führen“, warnte Laumann in der Länderkammer. Gerade bei der Notfallversorgung und den Kinderkliniken entstünden „kritische Lücken“. Neu geforderte Facharztzahlen seien vor allem in ländlichen Regionen nicht erreichbar, so Laumann.

50 Prozent der Krankenhäuser machen Defizite, 30 Prozent der Betten stehen leer

Kernbestandteil von Lauterbachs Reformplänen ist die Einführung eines neuen Vergütungssystems, das medizinisch unnötige Operationen aus Umsatzgründen künftig stärker verhindern soll. Deutschland hat die höchste Krankenhaus- und Bettendichte in ganz Europa, aber die Hälfte der Krankenhäuser macht zurzeit Defizite und 30 Prozent der Betten stehen leer. Da sich die Kliniken bislang durch Fallpauschalen pro Patient oder Behandlungsfall finanzierten, gab es einen Anreiz für bestimmte lukrative Eingriffe.

Mit der Reform erhalten Kliniken künftig Fixbeträge für das reine Vorhalten von Personal und Medizintechnik – aber nur, wenn sie bestimmte Kriterien erfüllen. Dazu gehören die Behandlungsqualität und die Erfahrung bei bestimmten Operationen. Auch wenn kleinere Krankenhäuser in strukturschwachen Regionen besonders gefördert werden sollen, wird in den nächsten Jahren mit einer Schließungswelle gerechnet. Für planbare Eingriffe wird man längere Wege in Kauf nehmen müssen.

Ärzte in Sorge: Ist eine Klinik künftig innerhalb von 30 Minuten zu erreichen?

NRW hatte bis zuletzt dafür geworben, den Kliniken weniger strenge Vorgaben für die Beschäftigung von Fachärzten in bestimmten medizinischen Leistungsgruppen zu machen. Lauterbach lehnte das ab: „Das geht an das Herz der Reform.“ Für die Behandlungsqualität der Patienten sei es zentral, dass bestimmte Fachbereiche in ausreichender Personalstärke verbindlich vorgeschrieben würden: „Von uns Ärzten wird doch niemand jemals an der Wirbelsäule einen Eingriff zulassen in einer Klinik, wo es nicht auch einen Neurologen gibt.“ Oder wer einen Darmkrebs-Eingriff durchführen lasse, habe nichts davon, wenn auf dem Papier anderweitige Chirurgen als Viszeralchirurgen gezählt würden.

Eindringlich warb Lauterbach im Bundesrat dafür, die Reformüberlegungen aus der Perspektive des Patienten zu bewerten, der sich oft hilflos durch die Kliniklandschaft navigieren müsse. Als Beispiel nannte er neueste personalisierte Therapiemethoden bei Darmkrebs. Im Umkreis der Uniklinik Köln gebe es heute 85 Krankenhäuser, die Darmkrebs operierten. „Ist denn hier irgendjemand der Meinung, wir könnten in 85 Kliniken bei Darmkrebs diese komplizierte Versorgung anbieten?“ Daher sei die Wahrheit, „dass sich in vielen dieser Kliniken einfach schlicht und ergreifend niemals ein Arzt behandeln ließe“, so Lauterbach, der selbst Mediziner ist.

Krankenhausplan NRW tritt unabhängig von Bundesreform zunächst in Kraft

Der vom Land erarbeitete NRW-Krankenhausplan, der bereits zu Abteilungsschließungen führen wird, tritt ab 2025 zunächst unabhängig von der Bundesreform in Kraft. Perspektivisch stellte Laumann aber klar: „Wenn ich bei unserer Krankenhausplanung, die ja vor dem Abschluss steht, dieses Gesetz hätte beachten müssen, hätte ich die Versorgungssicherheit vor allem in den ländlichen Regionen unseres Landes nicht sicherstellen können.“

Die Ärztekammer Nordrhein reagierte besorgt auf die Bundesratsentscheidung vom Freitag: „Wir befürchten, dass die Einführung neuer Leistungsgruppen beispielsweise in der Notfallmedizin und Infektiologie dazu führen wird, dass viele Kliniken diese Leistungen nicht mehr erbringen können, weil die Personalanforderungen schlicht nicht umsetzbar sind“, sagte Ärztekammer-Präsident Sven Dreyer.  Wenn die Länder keinen Planungsspielraum erhielten, „wird es eng um das Versprechen, dass jede Patientin, jeder Patient auch zukünftig ein Krankenhaus in 30 Minuten erreichen kann“, so Dreyer weiter.

Von der Techniker Krankenkasse kam dagegen Zustimmung: „Die Länder haben mit ihrem Votum zur Krankenhausreform heute den Weg für mehr Qualität und Spezialisierung in der stationären Versorgung frei gemacht“, sagte Vorstandschef Jens Baas.

Die Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW) bedauerte, dass der Bundesrat das Gesetz nicht für Korrekturen in den Vermittlungsausschuss überwiesen hat. KGNW-Präsident Ingo Morell prophezeite, dass Patienten „vielerorts die Sicherheit verlieren, dass sie im Notfall schnell ein Krankenhaus in ihrer Nähe erreichen können“. Die Reform werde viele Krankenhäuser durch das Wegbrechen von Erlösen „destabilisieren, statt sie zu stützen“.