Essen. Die Bundesregierung ist krachend gescheitert, SPD und Grüne sollten nicht auf Zeit spielen. Minderheitsregierung ist keine Option.

Vielen Menschen hat es offenbar gefallen, wie Bundeskanzler Olaf Scholz am Abend des Koalitionsbruchs seinen Finanzminister abwatschte. „Endlich hat der Scholz mal Emotionen gezeigt“ und „Sein bisher bester Auftritt als Kanzler“, war zu hören. Und irgendwie schwang dabei stets auch Respekt mit, wie es der Kanzler dem Lindner endlich mal gezeigt hatte.

Emotionen beim Ampel-Aus

Die Reaktionen spiegeln wider, wie tief die Erwartungen an diesen Kanzler in den vergangenen drei Jahren gesunken sind. Etwas Wut, ein paar Emotionen, ein paar scharfe, offenbar länger vorbereitete Formulierungen, und schon ist man von Scholz positiv überrascht. Es gehört zur Ironie der Geschichte der gescheiterten Regierungskoalition und ihres Chefs, dass dieser mit seinem letzten Auftritt als Ampel-Kanzler erstmals mehr Menschen als üblich erreichte.

Auch lieferte die Rede einen weiteren Beweis dafür, dass die Nerven im Regierungslager blank liegen. Denn letztlich war der Auftritt nicht souverän und nicht professionell, sondern vielmehr hilf- und respektlos, eines Bundeskanzlers unwürdig. Aber am Ende auch passend zu der von Missgunst, Misstrauen und Dauerstreit geprägten Ampelkoalition, die in ihrem politischen Handeln, in der Innen- wie der Außenwirkung, in der Problembewältigung und in der handwerklichen Umsetzung wichtiger Projekte zu den schwächsten der deutschen Nachkriegsgeschichte zählt.

Scholz muss Vertrauensfrage stellen

Wenn es angesichts des Debakels überhaupt positive Aspekte geben sollte, dann wohl die Tatsache, dass es endlich vorbei ist. Und dass, wie es Psychologen gern betonen, auf so einem Trümmerfeld die Energie für etwas ganz Neues, Positives, Kreatives entstehen kann. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Doch zunächst einmal muss die Koalition schnellstmöglich abgewickelt werden, sprich der Bundeskanzler muss zeitnah die Vertrauensfrage stellen. Es ist angesichts der Größe der Aufgabe einer Regierung in weltweiten Kriegs- und Krisenzeiten nicht vermittelbar, jetzt den weiteren Verlauf zu verzögern. Eine Minderheitsregierung aus SPD und Grünen kann jedenfalls keine Option sein, zumal sie kein einziges Vorhaben erfolgreich durchs Parlament bringen würde.

Parteitaktisch sind die Positionen klar und nachvollziehbar: Die Union will schnellstmöglich Neuwahlen, um vom aktuell desolaten Ansehen der Ampelparteien zu profitieren. Scholz hingegen will Zeit gewinnen, um, wie auch immer, Vertrauen zurückzugewinnen. Dabei ist es allerdings nur schwer vorstellbar, dass die Sozialdemokraten weiter auf Scholz setzen. Man kann als SPD im aktuellen Schwarzer-Peter-Spiel natürlich gemeinsam versuchen, allein FDP-Chef und Finanzminister Lindner die Schuld in die Schuhe zu schieben. Das ist Teil des Politik-Geschäfts. Man kann aber nicht ernsthaft erwägen, noch einmal mit Scholz als Spitzenmann in eine Bundestagswahl zu gehen. Er hatte seine Chance als Kanzler, er hat sie nicht genutzt. Schlimmer noch, er ist krachend gescheitert.

Deutschland braucht Verlässlichkeit

Doch es gibt noch eine weitere Dimension, die es zu beachten gilt: Die politische Verantwortung für dieses Land. Deutschland braucht mehr denn je Stabilität und Verlässlichkeit, braucht jetzt eine Haushaltsentscheidung für 2025, braucht den Beweis, dass die etablierten Parteien in der Lage sind, das Land aus der politischen und wirtschaftlichen Krise zu führen. Deutschland braucht keine weiteren Machtspielchen und Eitelkeiten, braucht keine ideologisch motivierten Alleingänge. Davon gab es in den vergangenen drei Jahren wahrlich genug. Zumal die Populisten sich angesichts des fortgesetzten Regierungsversagens immer noch die Hände reiben und schon auf ihre nächsten Chancen lauern. Diese Gefahr darf niemand unterschätzen. Als Beleg genügt ein Blick in die USA.