Berlin. Die Hürden sind gefallen. Künftig darf in Deutschland jeder seinen Geschlechtseintrag auf Wunsch ändern. Was seit dem 1. November gilt.

Das Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) ist seit dem 1. November in Kraft. Tausende Anträge liegen bei den Standesämtern in Deutschland bereits vor. Das neue Gesetz wird das Leben einer Minderheit bedeutend erleichtern. „Für alle anderen ändert sich nichts“, sagte die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Ferda Ataman, unserer Redaktion.

Wo früher langwierige, teure und als übergriffig empfundene Gutachten notwendig waren, genügt nun der Gang zum Amt. Wie funktioniert das Selbstbestimmungsgesetz? Wie lassen sich Geschlechtseintrag und Vornamen ändern, was kostet es, für wen gilt es? Ein Überblick über die wichtigsten Fragen und Antworten.

Wen betrifft das Selbstbestimmungsgesetz?

Das Familienministerium nennt drei Gruppen, die im Fokus des Gesetzes stehen: transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen. Transgeschlechtliche Menschen – auch Transmenschen oder Transpersonen genannt – identifizieren sich nicht oder nicht nur mit dem Geschlecht, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde. Viele von ihnen leben mit dem Gefühl, im „falschen Körper“ zu sein. 

Etwas anders ist es bei intergeschlechtlichen Personen: Sie haben angeborene körperliche Merkmale, die sich nicht eindeutig als männlich oder weiblich einordnen lassen. Das kann neben den Geschlechtsmerkmalen auch den Chromosomensatz oder die Hormonproduktion betreffen.

Als nicht-binär bezeichnen sich Menschen, die sich keinem Geschlecht zugehörig fühlen.

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Was ändert sich jetzt?

Wer seinen Geschlechtseintrag ändern lassen will, muss dies drei Monate im Voraus anmelden. Der frühestmögliche Termin für die Anmeldung von Änderungen war der 1. August dieses Jahres. Die dreimonatige Wartefrist dient dem Familienministerium zufolge auch als Bedenkzeit für die Person. Und: Der Geschlechts- und Vornamenseintrag kann frühestens nach zwölf Monaten erneut geändert werden. 

Nach Ablauf der drei Monate kann bei einem Termin im Standesamt der neue Geschlechtseintrag im Personenstandsregister eingetragen werden. Zur Wahl stehen männlich, weiblich, divers oder auch der Verzicht auf einen Geschlechtseintrag. Dafür ist weder eine gerichtliche Entscheidung noch ein ärztliches Attest nötig. Für Eingriffe wie geschlechtsangleichende Maßnahmen trifft das Gesetz keine Regelungen.

Da der 1. November in einigen Bundesländern ein Feiertag ist und darauf ein Wochenende folgt, verschiebt sich das Startdatum für die ersten Termine in manchen Standesämtern.

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Muss man seinen Vornamen mit dem Geschlechtseintrag ändern?

Nicht immer. Wichtig ist: Der Vorname muss zum neuen Eintrag passen. Das heißt, dass er dem Geschlechtseintrag entsprechen muss.

  • Wer also beispielsweise den Eintrag „männlich“ wählt, kann als Namen nicht Bettina oder Julia eintragen lassen
  • Umgekehrt gilt: Wer den Eintrag „weiblich“ wählt, kann nicht Lars oder Kevin heißen
  • In beiden Fällen können aber Vornamen gewählt werden, die sich beiden Geschlechtern zuordnen lassen, also etwa Kai, Alex, Kim oder Flo
  • Männliche und weibliche Namen lassen sich nicht kombinieren, nur mit geschlechtslosen Namen sind Kombinationen möglich, etwa: Maria Flo

Bei der Angabe „divers“ oder dem Verzicht auf einen Eintrag besteht eine freiere Wahl. Das Familienministerium schreibt, das Gesetz treffe keine Aussage darüber, welche Vornamen einem solchen Eintrag entsprechen.

  • Möglich sind daher etwa Vornamen, die beiden Geschlechtern entsprechen
  • Eine Kombination aus männlichen und weiblichen Vornamen (zum Beispiel Max Maria)
  • Oder auch nur männliche, beziehungsweise weibliche, Vornamen

Eine separate Änderung des Vornamens ohne Änderung des Geschlechtseintrags ist auf Basis des Selbstbestimmungsgesetzes nicht möglich.

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Was passiert mit dem Personalausweis und Reisepass?

Sobald der Geschlechtseintrag und ggf. der Vorname geändert wurden, sind Personalausweis und Reisepass ungültig. Zumindest der Personalausweis muss daher unverzüglich neu beantragt werden. Gleiches gilt für einen Reisepass, sofern er benötigt wird. In diesem ist neben dem neuen Vornamen auch ein Geschlechtseintrag zu finden, wer nicht als männlich oder weiblich gemeldet ist, erhält an dieser Stelle ein „X“. 

Selbstbestimmungsgesetz: Was gilt für Minderjährige?

Kinder unter 14 Jahren dürfen den Antrag nicht selbst stellen. Auf Wunsch des Kindes können das die Eltern oder andere Sorgeberechtigte übernehmen. Minderjährige, die älter als 14 sind, dürfen den Antrag selbst stellen. Allerdings brauchen sie das Einverständnis der Eltern oder Sorgeberechtigten. Minderjährige ab 14 Jahren müssen zudem erklären, dass sie sich umfassend informiert haben. Nach Angaben des Ministeriums besteht keine Beratungspflicht, es muss auch kein Schein vorgelegt werden.

Sollten die Eltern oder Sorgeberechtigten ihr Einverständnis nicht erteilen, kann ein Familiengericht eingeschaltet werden. Das soll dann im Interesse des Kindeswohls entscheiden.

Was steckt hinter dem „Offenbarungsverbot“?

Ein Passus zum sogenannten Offenbarungsverbot soll Menschen mit einem geänderten Geschlechtseintrag vor einem unfreiwilligen Outing schützen. Dritte dürfen demnach nicht ohne Erlaubnis die frühere Identität oder den früheren Namen verbreiten. 

Für enge Angehörige gibt es Sonderregeln. Nur in offiziellem Schriftverkehr etwa mit Ämtern müssen diese sich zwingend auf den geänderten Namen und Geschlechtseintrag beziehen. Für sie gilt die Vorgabe des Offenbarungsverbots ansonsten nicht – es sei denn, sie handeln „in Schädigungsabsicht“, wie es im Gesetz heißt. Dann droht ein Bußgeld von bis zu 10.000 Euro.

Eltern dürfen im privaten Rahmen beispielsweise den früheren Namen ihres Kindes erwähnen – ohne dass sie mit rechtlichen Konsequenzen rechnen müssen. Auch bei besonderen Gründen eines öffentlichen oder rechtlichen Interesses gibt es Ausnahmen vom Offenbarungsverbot.